Wenn Barack Obama im Oval Office spricht, ist die Lage ernst. Erst zwei Mal zuvor hatte sich der US-Präsident aus seinem Amtszimmer an die Nation gewandt: 2010 nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko und zum Ende des US-Kampfeinsatzes im Irak.
Der Schock sitzt in den USA nach dem Anschlag in San Bernardino mit 14 Toten, den ein muslimisches Ehepaar verübt hat, tief. Die öffentliche Debatte über die wachsende Terrorgefahr wird zunehmend hysterisch.
Hier versuchte Obama in seiner gestrigen Rede an die Nation anzuknüpfen: «Die Bedrohung durch den Terrorismus ist real, aber wir werden sie überwinden. Wir werden den IS zerstören», lautete seine zentrale Botschaft.
Doch wie? US-Heimatschutzminister Jeh Johnson hatte in einem Interview mit der «New York Times» jüngst einen «völlig neuen Ansatz» gegen die sunnitischen Dschihadisten im Irak und in Syrien gefordert. Einen solchen blieb Obama jedoch einmal mehr schuldig. Bodentruppen seien weiterhin kein Thema, wiederholte der US-Präsident stattdessen das Mantra vergangener Monate.
Dabei würde die Nation eine solche Massnahme erstmals unterstützen. In einer aktuellen CNN-Umfrage befürworten 53 Prozent der US-Bürger den Einsatz amerikanischer Truppen im Irak und Syrien.
Das Vertrauen der Amerikaner in das rat- und machtlose Washington ist zerrüttet. Die Hoffnung, dass die US-Regierung die Gefahr noch in den Griff bekommt, sinkt. Zwei Drittel finden das Vorgehen ihres Präsidenten «nicht aggressiv genug».
Für Obamas Kritiker ein gefundenes Fressen. Vor allem konservative Kreise tun ihren Unmut über seine Anti-Terror-Politik lauthals kund. So resümiert etwa der junge Publizist Ben Domenech auf Twitter: «Dieser Typ hat komplett den Bezug zur Realität verloren.»
Der konservative Blogger und Radiomoderator Erick Erickson geht noch einen Schritt weiter und fordert von den US-Bürgern individuelle Aufrüstung: «Amerikaner, bewaffnet euch. Der Joker im Weissen Haus scheint nicht die Absicht zu haben, das Land sicher zu halten.»
Ein gezielter Seitenhieb gegen Obamas Daueranliegen, das Waffenrecht zu reformieren. Gestern hatte der Präsident vom Kongress den Beschluss gefordert, dass «niemand, der auf einer No-Fly-Liste steht, in der Lage ist, eine Schusswaffe zu kaufen». Obama: «Wir müssen es den Leuten schwerer machen, wirkungsvolle Schnellfeuerwaffen zu kaufen wie jene, die in San Bernardino eingesetzt wurden.»
Auf die Spitze trieb es einmal mehr der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump. «Er kann einfach nicht sagen, dass wir uns im Krieg mit radikalen islamistischen Terroristen befinden», twitterte er gleich nach Obamas Rede. Und forderte zugleich: «Ist das alles? Wir brauchen einen neuen Präsidenten – schnell!»
Dass nun ein Schaumschläger wie Trump, der selbst gerne bald ins Oval Office einziehen würden, Obama nicht mit Lobeshymnen überschüttet, dürfte kaum verwundern. Ohnehin gehört es im konservativen Lager seit geraumer Zeit zum guten Ton, den demokratischen Präsidenten zu kritisieren und zu beschimpfen.
Doch auch im eigenen Lager kommt Obama wegen seiner vermeintlich laxen Anti-Terror-Politik zunehmend unter Beschuss. Zwar Hillary Clinton, die demokratische Favoritin im Kampf um das Weisse Haus, nach seiner Rede überraschend stumm. Zuvor hatte sie jedoch ihre Unzufriedenheit mit Obama bereits durchsickern lassen. In einem TV-Interview erklärte sie: Die USA seien «momentan nicht dabei, gegen den IS zu gewinnen».