Nach monatelangen Verhandlungen
Deutschland bekommt erstmals eine nationale Sicherheitsstrategie

Nach monatelangen Verhandlungen legt die Bundesregierung am Mittwoch erstmals eine nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland vor.
Publiziert: 14.06.2023 um 06:14 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2023 um 08:49 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt aus einer Besprechung in einem Sitzungssaal der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Foto: BERND VON JUTRCZENKA

Das mehr als 40 Seiten starke Papier soll am Vormittag vom Kabinett beschlossen und anschliessend von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und vier seiner Ministerinnen und Minister auf einer Pressekonferenz (11.00 Uhr) vorgestellt werden.

Die Grundidee der Strategie ist, erstmals alle inneren und äusseren Bedrohungen für die Sicherheit des Landes zu berücksichtigen. Also neben der militärischen Bedrohung etwa auch Cyber-Attacken, mögliche Anschläge auf kritische Infrastruktur und den Klimawandel.

Eine strukturelle Reform der Entscheidungsprozesse wird es aber nicht geben. Auf die Bildung eines lange diskutierten Nationalen Sicherheitsrats zur Koordination der Regierungshandelns verzichtet die Ampel-Koalition. Zu den Inhalten hält sie sich öffentlich noch bedeckt. Allerdings wird schon seit Wochen Erwartungsmanagement betrieben. Tenor: Bitte nicht zu viel Neues oder Konkretes erwarten.

Die Idee: Alles in einem Dokument

Mit dem Thema Sicherheit sind die meisten Bundesministerien befasst - die einen mehr, die anderen weniger. Eine Gesamtstrategie für alle gab es bisher aber nicht. Das Verteidigungsministerium erarbeitete zwar immer wieder mal Weissbücher zur Sicherheitspolitik - zuletzt 2016. Aber darin ging es um die äussere Sicherheit, vor allem um die Landes- und Bündnisverteidigung. In ihren Koalitionsverhandlungen verständigten sich SPD, Grüne und FDP darauf, erstmals eine umfassende Sicherheitsstrategie zu erarbeiten, wie es sie zum Beispiel in den USA und Japan schon gibt.

Die Institutionen: Kein Nationaler Sicherheitsrat

Ursprünglich sollte die Sicherheitsstrategie schon im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt werden, wo sich jedes Jahr viele Hundert Regierungsvertreter, Experten und Journalisten aus aller Welt versammeln. Dieser Termin hätte für grosse internationale Aufmerksamkeit rund um das Ampel-Papier gesorgt.

So schnell konnten sich aber Kanzler Scholz und seine Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die beiden Hauptakteure im Verhandlungsprozess, nicht verständigen. Der Knackpunkt: Soll ein Nationaler Sicherheitsrat als Schaltstelle in der Regierung gebildet werden? Das Auswärtige Amt fürchtete, an Einfluss zu verlieren, wenn das Kanzleramt die Federführung in dem Gremium übernimmt - eine Machtfrage also. Am Ende entschied man sich dafür, alles so zu lassen, wie es ist.

Die Inhalte: Das grosse Ganze statt Klein-Klein

Nach allem, was bisher bekannt ist, wird die deutsche Sicherheitspolitik in dem Papier nicht neu erfunden. Es soll sich Vieles darin wiederfinden, was auch schon im Koalitionsvertrag steht. Was einzelne Länder oder Regionen angeht, soll das Dokument nicht ins Detail gehen. Für die China-Politik soll es noch in diesem Jahr eine eigene Strategie geben. Was Russland und die Ukraine angeht, ist einerseits schon vieles gesagt und andererseits die Situation so dynamisch, dass es kaum möglich ist, weit in die Zukunft zu schauen.

Die Kritiker: Länder fühlen sich überrumpelt

Dass die Länder - anders als ursprünglich erwartet - nicht in die Beratungen einbezogen wurden, sorgt auf deren Seite für Kritik. «Wenn die Bundesregierung ein ernsthaftes Interesse daran hätte, eine zukunftsweisende Sicherheitsstrategie zu entwickeln, so hätte sie die Länder in geeigneter Form über die fachlichen Arbeitskreise der Innenministerkonferenz beteiligen müssen», sagt Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU), Sprecher der unionsgeführten Innenministerien. Dies sei trotz mehrmaliger Aufforderung über die Innenministerkonferenz bis zuletzt nicht erfolgt.

Die Präsentation: Grösser gehts kaum

Der Rahmen für die Präsentation des Papiers in einer Pressekonferenz gleich nach der Kabinettssitzung könnte grösser kaum sein. Neben dem Kanzler und der Aussenministerin sind dabei: Finanzminister Christian Lindner (FDP), Verteidigungsminister Boris Pistorius und Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Der Kanzler und vier Kabinettsmitglieder in der Bundespressekonferenz, beim Verein der Hauptstadtjournalisten - das gab es noch nie.

Mit drei Ministern und Ministerinnen hatte zuletzt Gerhard Schröder 1999 dort auf dem Podium gesessen. Damals ging es um den Haushalt und Schröder wurde von den Ministern Hans Eichel (Finanzen, SPD), Walter Riester (Arbeit, SPD) und Andrea Fischer (Grüne, Gesundheit) begleitet. Nur zum Internationalen Frauentag 2001 sassen mit sieben Ministerinnen noch mehr Regierungsvertreterinnen auf dem Podium.

(SDA)

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