Nach Lubitz’ Wahnsinnstat stellt sich die Frage:
Wie viele Piloten sitzen krank im Cockpit?

Eine Studie der belgischen Universität Gent bestätigt den Trend, dass viele Piloten bereits heute im Stundenlohn fliegen ohne Kranken- und Ferienentschädigung. Diese Piloten fliegen vermehrt auch bei Krankheit und haben Hemmungen, bei ihrer Fluggesellschaft Sicherheitsbedenken anzubringen.
Publiziert: 31.03.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 12:28 Uhr
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Todespilot Andreas Lubitz.
Von Niklaus Wächter

Andreas Lubitz (27) war gesundheitlich angeschlagen: Der Co-Pilot von Flug 4U 9525 hatte psychische Probleme und Sehstörungen. Dass die Beeinträchtigungen so akut waren, wusste sein Arbeitgeber nicht. Lubitz setzte sich ans Steuer, ohne Germanwings zu informieren.

Kranke Piloten im Cockpit? Dieses Problem könnte sich verschärfen. Airlines engagieren aus Spargründen immer öfter Piloten im Stundenlohn. Sie erhalten weder Sozialleistungen noch Kranken- und Ferienentschädigung. Geld gibt es nur gegen Flugstunden. Logisch, dass Piloten vermehrt auch bei Krankheit fliegen, um überhaupt etwas zu verdienen.

Eine Studie der belgischen Universität Gent bestätigt diesen Trend. Von den über 6000 Piloten, die sich an der Umfrage beteiligten, fliegen heute schon über Tausend im Stundenlohn. Tendenz steigend.

Mehr als zwei Drittel dieser sogenannten Schein-Selbständigen sitzen in Cockpits von Billig-Airlines. Im Fokus der Kritik steht die irische Ryanair. Doch auch Germania, Norwe­gian und Turkish Airlines arbeiten mit Zeitverträgen.

Die europäischen Pilotenverbände sind schockiert. Denn fast die Hälfte der Stundenlöhner hat Hemmungen, bei ihrer Fluggesellschaft Sicherheits­bedenken anzubringen.

Jörg Handwerg, Sprecher des deutschen Berufspilotenverbandes Cockpit, zu BLICK: «Das Problem des mangelnden Trainings hat bei einigen Unternehmen zu Unfällen und Vorfällen geführt.»

Ein Beispiel ist der Absturz einer zweimotorigen Turboprop-Maschine der Colgan Air beim Anflug auf den Buffalo Niagara Flughafen (USA) am 12. Februar 2009. Die übermüdeten Piloten flogen zu langsam durch das heftige Schneetreiben. Zudem fuhr die kranke Co-Pilotin auch noch unaufgefordert die Landeklappen ein. Konsequenz: 50 Menschen mussten sterben. Die Reaktionen der Arbeitgeber seien haarsträubend. «Einige Airlines schreiben den Besatzungen vor, möglichst oft den Autopiloten zu nutzen», sagt Handwerg.

Todespilot Andreas Lubitz hatte diese Sorgen nicht. Er war fest angestellt. Ein Arbeits­verzicht wegen Erkrankung hätte ihm also keine finanziellen Nachteile gebracht.

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