Der EU-kritische Regierungschef Viktor Orban hat die Parlamentswahl in Ungarn deutlich gewonnen. Auf seine rechtsnationale Fidesz-Partei entfielen bei einem Auszählungsstand von 64,5 Prozent 49,2 Prozent der Stimmen, teilte das Wahlbüro am Sonntag in Budapest mit.
Nach Schätzungen von Wahlforschern wird Fidesz auf bis zu 133 Mandate im 199-sitzigen Parlament kommen. Orban hätte damit wieder eine sichere absolute Mehrheit. Damit kann er seine vierte Amtszeit und die dritte in Folge antreten.
Sitzverteilung noch unklar
Vor vier Jahren hatte Fidesz mit 43 Prozent der Stimmen 133 Mandate und damit eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit gewonnen. Die endgültige Sitzverteilung im neuen Parlament hängt allerdings noch vom Ausgang der Wahlen in den Direktwahlkreisen ab.
Die Stimmen von rund 270'000 Wählern, die nicht an ihrem ständigen Wohnort gewählt haben, werden erst in der nächsten Woche ausgezählt.
Orban feiert «historischen Sieg»
Nach der Parlamentswahl der rechtsnationale Regierungschef von einem «historischen Sieg» seiner Fidesz-Partei gesprochen. Das Wahlergebnis gebe den Ungarn «die Möglichkeit, sich zu verteidigen und Ungarn zu verteidigen», sagte Orban am Sonntagabend vor fahnenschwenkenden Anhängern.
Aussergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung
Die Bekanntgabe der ersten Teilergebnisse verzögerte sich um mehrere Stunden, weil zwei Budapester Wahllokale mit der grossen Zahl der ihnen zugeteilten «Auswärts-Wähler» nicht fertig wurden. Die Wahlbeteiligung war mit 70 Prozent aussergewöhnlich hoch.
Konfrontationskurs zur EU
In der EU geht man davon aus, dass eine Neuauflage der Regierung Orban zu weiteren Konflikten zwischen Budapest und Brüssel führen wird, vor allem in der Asylfrage.
Seit 2010 steuert der rechtskonservative Politiker einen Konfrontationskurs zur EU.
Streitpunkte sind unter anderen die Asylpolitik, die Einschränkung von Medienfreiheit, Unabhängigkeit der Justiz und Bürgerrechten sowie der mutmassliche Missbrauch von EU-Fördergeldern. Von der EU beschlossene Quoten zur faireren Verteilung von Asylbewerbern boykottierte Orban.
Opposition zeigt sich optimistisch
Ob und wie die Opposition von der höchsten Wahlbeteiligung seit 1994 profitierte, war zunächst unklar. Diese ist heterogen zusammengesetzt und reicht von der rechtsextremen Partei Jobbik (Die Besseren - oder: Die Rechteren) über die linke Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) und die Öko-Partei Politik kann anders sein (LMP) bis hin zu Kleinparteien, die keine Chancen auf den Einzug ins Parlament haben.
Ihre Vertreter zeigten sich am Sonntag angesichts des grossen Wählerandrangs optimistisch. «Das sind gute Nachrichten, vor allem für die, die einen Wechsel wollen», sagte MSZP-Spitzenkandidat Gergely Karacsony.
Die Opposition muss sich allerdings in einem Wahlsystem durchsetzen, das die Fidesz-Partei von Orban als relativ stärkste politische Kraft deutlich begünstigt. 106 der 199 Parlamentsmandate werden in Direktwahlkreisen nach dem Mehrheitsprinzip vergeben, die übrigen 93 proportional über Parteilisten, für die es eine Fünf-Prozent-Hürde gibt.
Wahlsystem und Medienkontrolle
Nach 2010, als Orban über eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit verfügte, hatte er das Wahlsystem noch stärker auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Ausserdem kontrollieren die Regierung und ihr nahe stehende Oligarchen die meisten reichweitenstarken Medien.
Im Wahlkampf hatte Orban die Migration zum fast ausschliesslichen Thema gemacht. «Es geht um die Zukunft Ungarns», sagte er am Sonntagmorgen bei der Stimmabgabe in seinem Wahllokal im Budapester Stadtteil Zugliget.
In der Kampagne hatte Orban behauptet, dass die EU, die Uno und der US-Milliardär George Soros Pläne verfolgten, um Zehntausende Migranten in Ungarn anzusiedeln und das Land zum «Einwanderungsland» zu machen. Nur wenn er weiterregiere, könne dies verhindert werden. Beweise für die angeblichen Pläne legte er keine vor.
Soros, ein aus Ungarn stammender Holocaust-Überlebender, hatte sein Geld als Börsenspekulant gemacht - heute unterstützt er Zivilorganisationen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen.
Demokratie-Abbau und Korruption
Die Opposition wirft Orban vor, die Demokratie in Ungarn abzubauen. Staatliche Ressourcen und EU-Förderungen würden Orban-nahen Oligarchen zugeschanzt. Aber auch die EU-Antikorruptionsbehörde Olaf ermittelt in zahlreichen mutmasslichen Missbrauchsfällen in Ungarn. In einen soll sogar Orbans Schwiegersohn verstrickt sein.
Orban bestreitet die Vorwürfe und verweist auf deutlich gestiegene Reallöhne und gesunkene Arbeitslosigkeit. In den EU-Institutionen geht man davon aus, dass eine Wiederwahl Orbans zu weiteren Konflikten zwischen Budapest und Brüssel führen wird, vor allem in der Asylfrage. (SDA)