Ein alter Konflikt lodert neu auf – und könnte die Welt ins Chaos stürzen. Nachdem in der umkämpften Kaschmir-Region Terroristen auf Touristen schossen und 26 Personen töteten, reagiert die indische Regierung mit scharfen Massnahmen: Sie schliesst den Grenzübergang zu Pakistan, setzt den wichtigen Wasservertrag mit dem Nachbarland aus, sperrt den Luftraum und weist Pakistani aus.
Das Attentat passierte am Dienstag im beliebten Ferienort Pahalgam (auch «Mini-Schweiz» genannt) im Kaschmir-Tal im Norden Indiens. Unter den Toten befinden sich 25 Inder. Besonders brisant: Bei den beiden Staaten, die seit Jahrzehnten um das Grenzgebiet streiten, handelt es sich um Atommächte. Blick erklärt, welche Folgen dieser neue Konflikt für Europa haben könnte.
Wie stark tangiert uns der Konflikt?
Ein Konflikt zwischen zwei Atommächten hat Auswirkungen auf die ganze Welt. Es braucht diplomatische Ressourcen, die bei andern Konflikten fehlen. Als Lieferanten für die IT- und Textilindustrie wären bei einem Krieg auch Lieferketten gefährdet. Je nach Grösse eines Konflikts könnte es zu grossen Fluchtbewegungen kommen.
Offen ist, wie Grossmächte wie China und die USA reagieren werden. China ist ein Verbündeter Pakistans, die USA halten tendenziell zu Indien.
Wie schlimm wäre die Auflösung des Wasservertrags?
Indien hat zum ersten Mal den Indus-Vertrag über die Wassernutzung ausgesetzt, der seit 1960 in Kraft ist. Der von der Weltbank ausgehandelte Vertrag hat eine grosse Bedeutung für beiden Staaten: Er legt fest, wie mit den Wasserreserven für Hunderte Millionen Menschen umgegangen wird.
Ohne diesen Vertrag könnte Indien vielen Pakistani das Wasser abstellen, was allerdings nicht kurzfristig umsetzbar wäre. Die Folgen: Mangel an Trinkwasser, kein Antrieb für Kraftwerke, keine Bewässerung der Landwirtschaft. Pakistan könnte einen Wasserentzug als Kriegsgrund betrachten.
Welche Folgen hat die Luftraumsperre?
Eine Luftraumsperre ist in erster Linie ein Drohmittel. Sie kann auch eine Vorbereitung für eine militärische Aktion mit Luftangriffen und Truppenvorstössen sein.
Für den internationalen Luftverkehr bedeutet eine Sperre stundenlange Umwege. Betroffen wären unter anderem Flüge von Europa nach Thailand, Malaysia und Australien.
Kommt es zu einem Krieg?
Der Kaschmir-Konflikt ist seit 1947 ungelöst. 1947 bis 1949, 1962, 1965, 1971 und 1999 wurden Kriege geführt. Die grossen Player USA, China, Russland und natürlich auch die Uno haben grosses Interesse an der Stabilität in Südasien. Sie werden darauf hinwirken, dass der Konflikt nicht wieder eskaliert.
Ob sie Erfolg haben werden? Der US-amerikanische Aussenpolitik-Autor und Südasien-Experte Michael Kugelman sagt gegenüber dem «Guardian»: «Dies ist ein entscheidender Moment für die Region. Zwei atomar bewaffnete Nachbarn stehen sich gegenüber. Alles könnte schiefgehen.»
Warum gibt es den Kaschmir-Konflikt?
Nach der Teilung Britisch-Indiens im Jahr 1947 wurde die Region Kaschmir zwischen den neu gegründeten Staaten Indien und Pakistan aufgeteilt. Besonders der indische Teil, dessen Bevölkerung mehrheitlich muslimisch ist, gilt seither als Konfliktherd: Hier kämpfen muslimische Separatisten für einen Anschluss an Pakistan. In jüngerer Zeit war es dort allerdings ruhiger geworden – und mit der Ruhe kehrten auch die Touristen zurück.