Auch nach seinem Tod flog Qassem Soleimani (†62) Holzklasse. Die Überbleibsel des iranischen Generals, der aus Sicherheitsgründen stets Linienflüge benutzte, wurde offenbar in eine Pappschachtel gesteckt und auf der Passagierbank der iranischen Mahan Air von Mashhad nach Teheran transportiert.
Am frühen Freitagmorgen war der einflussreiche Elitetruppen-Führer der im Ausland eingesetzten Al-Kuds-Brigaden in Bagdad von US-Raketen zerfetzt worden. Identifiziert werden konnte er nur noch anhand eines dicken Klunkers an der Hand.
Seither trägt der Iran Trauer. Auf der Kuppel der Dschamkaran-Moschee in der heiligen iranischen Stadt Qom weht seit Samstag eine blutrote Fahne – ein Symbol für den Aufruf zur Rache in der Farbe der Märtyrer. Die Rachefahne wird seit dem 7. Jahrhundert verwendet, doch auf dem Dach der Moschee, einer seit dem frühen Mittelalter bedeutenden heiligen Stätte der iranischen Schiiten, weht sie nun zum ersten Mal.
Für das Regime kommt Soleimanis Tod genau richtig
Hunderttausende, wenn nicht Millionen Iraner nahmen am Montag bei einer Trauerzeremonie in der Hauptstadt Teheran Abschied von Soleimani. Die Regierung hatte den Tag zum Feiertag erklärt, damit alle Menschen daran teilnehmen konnten. Viele waren in Schwarz gekleidet und trugen Bilder vom getöteten General. Die Stimme von Irans geistlichem Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei (80) versagte, als er vor dem Behältnis mit Soleimanis Überbleibseln betete.
Dabei kommt Soleimanis Tod für das iranische Regime genau zur rechten Zeit. Wirtschaftlich und innenpolitisch steht die Regierung seit Monaten immens unter Druck. Seit vergangenem November protestiert die Bevölkerung hartnäckig. Aufgeflammt ist der blutige Protest wegen gestiegener Spritpreise, die vor allem die einkommensschwache Bevölkerung treffen.
«Dein Weg wird weitergeführt»
Weil das Land unter den US-Sanktionen leidet, dürfen Iraner seit einigen Monaten nur noch 60 Liter Benzin im Monat kaufen, jeder weitere Liter kostet das Dreifache. Mindestens 100 Menschen sind bei den Protesten bereits gestorben, die Regierung hat die Bevölkerung durch das zeitweise Abschalten des Internets nur weiter gegen sich aufgebracht.
Seit Soleimanis Tod gibt es keine regierungskritischen Proteste mehr. Der Drohnenanschlag treibt selbst Gegner des iranischen Regimes fahnenschwenkend mit dem Trauerzug durch die Strassen Teherans. Auf Postern von Soleimani steht: «Du bist weg, aber Dein Weg wird weitergeführt.»
Schweizer Experte nennt Anschlag «Fehler»
Vital Burger (55), Vorsitzender des Freundeskreis Schweiz-Iran, nimmt die Stimmung als «bedrückt» wahr. «Der Anschlag war der dümmstmögliche Fehler, den man machen konnte. Wem nützt die ganze Geschichte mit Soleimani? Sicher nicht den Reformleuten. Diese Tötung hat das Volk wieder geeinigt.»
Burger war selbst gerade erst zum 48. Mal im Iran. «Im iranischen Staatsapparat gab es nicht viele glaubwürdige Personen. Soleimani kam von ganz unten, war keiner der berühmten Kleptokraten, deswegen trauern so viele – vom einfachen Handwerker bis zum Akademiker.» Man sehe im Iran oft Aufmärsche, für die Menschen von der Regierung in Bussen herangekarrt würden. «Aber bei dieser Menge ist das gar nicht möglich.»
Trumps Drohungen treiben Iraner auf die Strasse
Die Massen erinnern an den Tod des religiösen Führers Khomeini (†87), der 1979 die Islamische Republik ausrief und bis zu seinem Tod ein Jahrzehnt regierte. «Bei dessen Tod waren Millionen von Menschen auf der Strasse und haben getrauert. Heute kommt zu dieser Trauer Wut auf die USA hinzu», sagt Elika Palenzona-Djalili (54), Dozentin für Islamische Kunst und Sprache an der Uni Bern, zu BLICK.
Auch sie glaubt, dass der Konflikt dem iranischen Regime hilft. «Die Menschen finden den Anschlag auf Soleimani eine Unverschämtheit. Was mich als Kunsthistorikerin gewaltig wütend macht, ist, dass Trump Kulturstätten zerstören will.» Der US-Präsident hatte am Samstag mit Angriffen auf 52 iranische Ziele gedroht, sollte Teheran US-Bürger oder US-Einrichtungen attackieren. Auf der Liste stünden auch Ziele, die «wichtig für die iranische Kultur» seien. Die Genfer Konvention verbietet allerdings Angriffe auf Kultstätten als Kriegsverbrechen. Für Palenzona-Djalili ist klar: «Wer die iranische Kultur zerstört, verletzt die Ehre der Iraner.» Deswegen habe Trumps Drohung in den sozialen Medien für mehr Aufruhr gesorgt als der Tod von Soleimani.
Dessen Überbleibsel sollen nun am Dienstag in seiner Heimatstadt Kerman bestattet werden. Ob in derselben Pappschachtel, ist bislang nicht bekannt.