Voller Vorfreude strahlt Dijle Deli (†) in die Kamera, die Studienfreunde hinter ihr im Bus recken die Finger zum Siegeszeichen: Sieg für den Frieden zwischen türkischer Regierung und Kurdenorganisationen. Dafür wollten die jungen Leute am Samstag in Ankara auf die Strasse gehen. Wenige Stunden nach dem Selfie ist die junge Frau tot. Sie wurde eines der über 120 Opfer des Bombenanschlags.
Einen Tag nach dem schrecklichen Attentat herrschte gestern in der Türkei der Ausnahmezustand. Die Regierung ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bezeichnete das Attentat als Angriff auf die «Einheit, Demokratie und Stabilität» der Türkei.
Allein in Istanbul gingen 10'000 Menschen auf die Strasse, um der Toten zu gedenken und ihrer Wut über die grausame Bluttat Luft zu machen. Die Drahtzieher des Anschlags werden weiter gesucht – dazu bekannt hat sich bisher niemand.
Im Zentrum des Verdachts steht auch dieses Mal der IS. Nach ersten Ermittlungen gehen die Behörden davon aus, dass zwei Attentäter die beiden Sprengsätze gezündet haben. Diese sollen laut Medienberichten auffällig jener Bombe ähneln, die im Juli in einem kurdischen Kulturzentrum der Stadt Suruc über 30 Menschen in den Tod gerissen hatte. Bei einem der Täter soll es sich um einen 25- bis 30-jährigen Mann handeln. Er könnte sogar der Bruder des Suruc-Attentäters sein.
Schon damals war bekannt geworden, dass sich die beiden jungen Männer dem IS angeschlossen hatten und nach Syrien gegangen sein sollen. Dies zumindest berichten türkische Medien.
Als anvisiertes Ziel der Attacke sieht sich die prokurdische Partei HDP. Beide Sprengsätze seien inmitten ihrer Parteianhänger explodiert.
Deshalb protestierten auch gestern wieder Tausende gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan. Für sie trägt der Staatschef eine Mitschuld an den Anschlägen. Regelmässig übt Erdogan scharfe Kritik an der HDP. Er wirft ihr vor, sie stehe der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) nahe. Die HDP hingegen bezeichnet sich als unabhängige Partei.