Paul Ziemiak über den AfD-Politiker Björn Höcke
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Er sei ein Nazi:Paul Ziemiak über den AfD-Politiker Björn Höcke

Nach Abgang von Chefin Kramp-Karrenbauer
Die CDU steckt im Dilemma

Der Wahl-Knall in Thüringen hat einen Grundkonflikt der CDU ans Licht gebracht. Wer Annegret Kramp-Karrenbauer an der Parteispitze nachfolgt, muss linke wie rechte Kräfte in den Griff kriegen – ohne offene Flanke zu bieten.
Publiziert: 17.02.2020 um 08:47 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2021 um 16:58 Uhr
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CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak übt Kritik an rechts wie links.
Foto: imago images
Fabienne Kinzelmann

Paul Ziemiak (34) ist in Angriffslaune, als er am Donnerstag ans Rednerpult des Deutschen Bundestags tritt. Die Linke hatte eine aktuelle Stunde zum Wahl-Knall im ostdeutschen Bundesland Thüringen beantragt.

In seinem sechsminütigen Debattenbeitrag gibt der CDU-Generalsekretär nicht nur eine Antwort auf die Frage, warum der AfD-Politiker Björn Höcke ein Nazi sei («Weil er einer ist!»), sondern erteilt auch jeder Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke eine Absage: «Was sollen wir da überdenken? Sollen wir die Mauertoten noch mal nachzählen? Sollen wir als CDU noch mal überlegen, ob Deutschland in der EU bleiben soll? Ob wir noch in der Nato bleiben sollen?»

Muss die CDU mit AfD oder Linke kooperieren?

Vier Tage zuvor hatte die Chefin des jungen Parteifunktionärs, die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (57), nach dem Debakel in Thüringen ihren Rücktritt verkündet. Im CDU-Präsidium bekannte AKK, es gebe «ein ungeklärtes Verhältnis von Teilen der CDU mit AfD und Linken».

Das ist untertrieben, denn die Christdemokraten sind in dieser Frage hoffnungslos gespalten. Die alten Mehrheiten sind weg. Wäre morgen Bundestagswahl, käme die Union gemäss Umfragen noch auf 27 Prozent.

Muss sich die Volkspartei mittel- bis langfristig nach rechts oder links öffnen, um auch in Zukunft über die Option zu verfügen, eine Regierung zu bilden oder ihr zumindest anzugehören?

Erst im Dezember 2018 haben die Christdemokraten ihren «Unvereinbarkeitsbeschluss» erneuert. Er verbietet die Zusammenarbeit mit AfD und Linke. In Thüringen hat das zu einer Zerreissprobe in der Partei geführt, die ihr in absehbarer Zeit auch auf Bundesebene droht.

Eine Zerreissprobe für die Partei

Der Thüringer Noch-Vorsitzende der CDU, Mike Mohring (48), dessen Landespartei bei einer Neuwahl gerade noch auf 14 Prozent kommen würde, kritisierte das Kooperationsverbot im «Spiegel»: «Wenn ein Parteitagsbeschluss, der Verhältnisse wie in Thüringen gar nicht vor Augen haben konnte, dazu führt, dass nur noch Neuwahlen möglich sind, dann kann das nicht richtig sein. Man muss die Auslegung dieses Beschlusses einer Partei vor Ort überlassen.»

Das Dilemma der CDU: Links- wie Rechtsradikalismus widersprechen ihren Grundwerten. Die Zusammenarbeit mit Faschisten ist für Christdemokraten undenkbar. Doch auch die Kooperation mit der SED-Nachfolgepartei Die Linke ist für mehr als 50 Prozent der CDU-Mitglieder nach wie vor tabu: Wegen der DDR-Vergangenheit vieler Funktionäre, weil Teile der Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden, wegen starker sozialistischer Strömungen und extremen Antworten auf aussen- wie sicherheitspolitische Fragen.

Doch wer die Nöte der CDU-Gliederungen vor Ort ignoriert, provoziert Trotz. Das hat das Wahldebakel in Thüringen gezeigt. Und Kramp-Karrenbauer bezahlte dafür letzten Endes sogar mit dem Ende ihrer Karriere. Drei Favoriten werden für ihre Nachfolge gehandelt: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (58), Gesundheitsminister Jens Spahn (39) und der «ewige Zweite», Ex-Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (64).

Vier Aufgaben für AKKs Nachfolger

Historiker Andreas Rödder (52), als CDU-Mitglied wie als Wissenschaftler ein äusserst scharfer Beobachter der Partei, nennt vier zentrale Aufgaben, die ein möglicher Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer bewältigen muss:

1. Die Parteiflügel zusammenführen – vom Sozialflügel unter Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (46), der sich für eine «Duldung» von der Linken starkmacht, bis hin zur AfD-nahen Werteunion und den Marktliberalen.

2. Die inhaltliche Profilierung der Partei, um sie «mit viel Optimismus» wieder in die Offensive zu bringen.

3. Persönliche Autorität im Umgang mit den Landesverbänden – eine offene Auflehnung gegen die Parteispitze wie in Thüringen darf sich nicht wiederholen.

4. Verirrte AfD-Wähler wieder für die CDU zu gewinnen.

Die Thüringen-Krise ist noch nicht ausgestanden

Erfüllen die drei meistgenannten Kandidaten für den Parteivorsitz diese Anforderungen? Andreas Rödder meint: «Armin Laschet kann integrieren, steht aber für keinen Neuanfang und keine inhaltliche Profilierung.» Jens Spahn sei ein «unorthodoxer, starker, junger Konservativer». Und der Millionär Friedrich Merz? Rödder: «Schon immer der Antipol von Angela Merkel und – bei allen operativen Schwächen – inhaltlich eine überragende Lösung.»

Am 24. August will Kramp-Karrenbauer einen Vorschlag für ihre Nachfolge machen, bis zum Sommer soll der oder die neue CDU-Vorsitzende feststehen.

Völlig offen ist, wie es in Thüringen weitergeht. Nach wie vor suchen alle Beteiligten einen Ausweg aus der Krise. Neuwahlen will ausser der Linken, die laut Umfragen mit 40 Prozent Wähleranteil rechnen darf, kaum jemand.

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