In einem Buskonvoi fuhren sie über die militärisch streng gesicherte Grenze in den Norden. Über 140 Nordkoreaner hätten an dem tränenreichen Treffen im Touristengebiet Kumgang teilgenommen, hiess es. Die Teilnehmer des Familientreffens in der Bergregion können sich in drei Tagen sechs Mal jeweils zwei Stunden lang sprechen.
«Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen», sagte der 82-jährige Südkoreaner Lee Joo Kuk vor dem Treffen mit seinem älteren Bruder. «Meine Familie war sicher, dass er tot ist. Aber dann habe ich erfahren, dass er lebt und dass er sich mit uns treffen will. Es ist, als wäre er wiederauferstanden.»
Die 68-jährige Lee Jong Sook stand in dem für das Treffen vorgesehenen Saal ihrem 88-jährigen Vater Ri Hong Jong gegenüber, von dem sie im Alter von zwei Jahren getrennt war. Jetzt kam er im Rollstuhl angefahren und schluchzte, als er seine jüngere Schwester, Lees Tante, sah. «Bruder, das ist deine Tochter, deine Tochter», sagte diese und zeigte auf Lee.
Sichtlich überwältigt nickte Ri nur und drückte seiner Schwester fest die Hand, bevor er sich nach anderen Familienmitgliedern im Süden erkundigte. «Fast alle sind im Krieg gestorben», gab ihm die Schwester zur Antwort.
Viele Teilnehmer des Treffens sind betagt und gesundheitlich angeschlagen. Mehr als 20 befanden sich im Rollstuhl, eine Frau benötigte eine Sauerstoffmaske, vier traten die Reise nicht an, weil sie sich unwohl fühlten.
Der älteste Südkoreaner, der 96-jährige Kim Nam Kyu, stützte sich auf seine beiden Töchter, als er seine jüngere Schwester traf - zum ersten Mal seit mehr als sechs Jahrzehnten. Zunächst sassen die beiden still beieinander und hielten sich die Hand. Dann zeigte Kims Schwester den Verwandten aus dem Süden Fotos ihrer im Norden lebenden Familienmitglieder.
Informationen über das Treffen stammten von Journalisten südkoreanischer Medien, die mit der Gruppe nach Nordkorea reisten. Mitarbeiter des südkoreanischen Roten Kreuzes in leuchtend gelben Jacken hatten ihren Landleuten an der Grenze zugewinkt und Banner hochgehalten, auf denen zu lesen war: «Wir sind Menschen einer Nation».
Für die um 1930 Geborenen, die am Donnerstag voneinander Abschied nehmen müssen, wird es besonders bitter sein. Denn es ist äusserst unwahrscheinlich, dass sie sich noch einmal wiedersehen werden.
Das stalinistisch regierte Nordkorea und das kapitalistische Südkorea befinden sich bis heute formal im Kriegszustand. Der Krieg Anfang der 50er Jahre wurde durch einen Waffenstillstand beendet, einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht. Beide Staaten hatten sich in schwierigen Verhandlungen im August auf die Wiederaufnahme der im Jahr 2000 begonnenen Familientreffen geeinigt.
Es ist erst die zweite derartige Begegnung in den vergangenen fünf Jahren. Die Teilnehmer der Treffen werden ausgelost. Derzeit stehen mehr als 65'000 Südkoreaner auf einer offiziellen Warteliste.
Mehrere Millionen Koreaner waren während des Kriegs von ihren Angehörigen getrennt worden. Bis heute haben zahllose Menschen in beiden Ländern keinerlei Kontakt zu ihren nächsten Verwandten.