Delfin Fungie wohnt seit beeindruckenden 37 Jahren im gleichen Hafen. Dank ihm kennt man die irländische Stadt Dingle auf der ganzen Welt. Seinetwegen fahren jeden Tag 12 Touristen-Boote aufs Meer raus – denn alle wollen ihn sehen! Ausserdem wurden zahlreiche Restaurants und Souvenirläden nach ihm benannt.
Nun ist der Superstar verschwunden – seit letztem Dienstag hat ihn niemand mehr gesehen. Zahlreiche Suchaktionen wurden gestartet und die ganze Stadt hilft mit. Sollte er nicht mehr auftauchen, hat die regionale Tourismusbranche ein gewaltiges Problem.
Hafenbewohner seit 1983
Im Herbst 1983 wurde Fungie das erste Mal im Hafen gesichtet. Die Fischer dachten damals, dass der kleine Delfin vor einem Sturm Schutz sucht und «nächste Woche wieder weg ist». Doch dies war nicht der Fall. Fungie blieb, und ist seither Bewohner des Dingler Hafens.
Seán Mac an tSíthigh, ein lokaler Journalist, sagt zur «BBC»: «Fast von Anfang an hatte er den Drang und den Eifer, mit Menschen zu interagieren.»
Der Chef für Besichtigungen der Irish Whale and Dolphin Group (IWDG), Pádraig Whooley, erklärt: «Einzelgängerische Tümmler kommen vor, aber Fungie ist anders. Es ist nicht unüblich, dass sie sich eine Region aussuchen und eine Weile dort bleiben; aber dass sie praktisch ihr ganzes Erwachsenenleben im selben kleinen Hafen verbringen, ist ungewöhnlich.»
Fungie ist seit 2019 sogar Rekordpreisträger: Das Guinness-Buch der Rekorde verleihte ihm den Titel «Ältester Einzelgänger-Delfin der Welt».
«Er war immer da»
Nuala Moore, eine Extrem-Schwimmerin aus der kleinen Hafenstadt, sagt, Fungie sei ihr Trainings-Partner. Sie fing mit vier Jahren mit dem Schwimmen an und «er war mein ganzes Leben lang immer da».
Gerade in den letzten zehn Jahren habe Moore seine Gesellschaft sehr geschätzt, weil sie an vielen Kaltwasser-Schwimmwettbewerben teilgenommen hatte: «Der Hafen ist mein Schwimmbecken, und ein anderes Lebewesen zu haben, das dir im Winter immer Gesellschaft leistet, ist schön – nur schon, dass noch jemand in der Nähe atmet.»
Es gibt einige Theorien, wieso Fungie gerade Dingle als sein Zuhause wählte und das ruhige Fischerdorf damit berühmt machte. «Einige glauben, er sei ein Waise, dass seine Mutter draussen im Meer gestorben sei und er einen sicheren Ort gesucht hat», erzählt Seán.
Pádraig Wooley denkt, dass Fungie bei seiner ersten Sichtung möglicherweise erst zwischen fünf und zehn Jahre alt war.
«Fungie ist Teil der Stadt»
Seán Mac an tSíthigh (42) war fünf Jahre alt, als der Tümmler ankam. Er sagt, dass die Menschen im Ort den Delfin extrem gerne haben. «Der Delfin gehört mittlerweile einfach zur Kultur dazu. Fungie ist Teil der Identität und der Geschichte der Stadt.»
«Fungie kennt man auf der ganzen Welt, und wegen ihm kennt man auch Dingle – er ist ein grosser Stolz für uns Bewohner», sagt er. «In den 80er-Jahren war die wirtschaftliche Situation in Irland nicht besonders gut – Fungie weckte Interesse für die Region und die Touristen kamen.»
«Es ist unüblich»
«Er war bereits auf dem Weg Richtung Lebensabend, aber es ist trotzdem unüblich, dass er so lange fortbleibt», meint der Lokaljournalist. Seán Mac an tSíthigh erklärt, dass er mal weggehe, sei nicht ungewöhnlich. Bisher sei er allerdings immer nach spätestens einem Tag zurückgekehrt.
Es gibt Theorien, wieso der Delfin dem Hafen fernbleibt: Östliche Winde treiben sein Futter manchmal weit ins Meer hinaus. Die Bewohner hoffen, dass er nur auf Jagd ist und bald wiederkommt. Eine andere Möglichkeit wäre, dass er sich vor einem Buckelwal und einigen Delfinen versteckt, die sich letzte Woche ungewöhnlich nahe an der Küste herumgetrieben haben – da Fungie ein Einzelgänger ist, spricht einiges für diese Erklärung. (eb)