Der Killer ist ein alter Bekannter
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Mord nach 34 Jahren geklärt:Killer von Olof Palme tarnte sich als Zeuge

Nach 34 Jahren schliesst Schweden die Akte Palme – ohne finalen Beweis und ohne Geständnis
Der Killer ist ein alter Bekannter

Endlich! 34 Jahre nach dem Mord an Ministerpräsident Olof Palme steht für die Fahnder der Mörder fest. Es soll Stig Engström gewesen sein, der sich als Zeuge ausgab. Allerdings fehlen die letzten Beweise. Auch befragen kann man ihn nicht: Der Mann ist seit Jahren tot.
Publiziert: 10.06.2020 um 20:35 Uhr
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Er gilt als Mörder von Olof Palme: Stig Engström, der für die Medien selber nachspielte, was er angeblich gesehen hatte.
Foto: DUKAS
Guido Felder

Schweden hat seinen längsten und teuersten Kriminalfall abgeschlossen. Für immer. Nach 34 Jahren steht fest, wer am 28. Februar 1986 in Stockholm den damaligen Ministerpräsidenten Olof Palme (†59) mit einer Kugel in den Rücken getötet und dessen Frau Lisbet (1931–2018) mit einem Streifschuss verletzt hat. Es soll sich um Stig Engström (†66) handeln, der sich nach der Tat als Zeuge ausgegeben hatte.

Das mutmassliche Motiv: Er hasste Palme wegen dessen linker sozialdemokratischer Politik. Allerdings fehlt den Fahndern der letzte Beweis, die Tatwaffe bleibt ebenfalls verschollen. Auch befragen kann man Engström nicht mehr: Er hat sich im Jahr 2000 mit einer Schusswaffe das Leben genommen.

Geübter Schütze

Stig Engström war schon lange im Visier der Ermittler und Journalisten. Der Grund: Manche seiner Aussagen zum Zeitablauf konnten nicht stimmen. Ausserdem war er durch seinen Militärdienst und die Mitgliedschaft in einem Schützenverein den Umgang mit Waffen gewohnt.

Die Fährte zu ihm wurde erneut aufgenommen, als es vor drei Jahren zu einem Personalwechsel bei den zuständigen Fahndern kam.

Keine neuen Beweise

Speziell: Den Ermittlern liegen keine neuen Beweismittel vor. Ihr Urteil stützt sich lediglich auf ein neues Studium der 250 Meter Akten, die sich in all den Jahren und unter verschiedenen Chef-Ermittlern angesammelt hatten. Fahndungsleiter Hans Melander dazu: «Es gab eine Person, die nicht ins übrige Bild hineinpasste. Ihre Angaben konnte man nicht mit denjenigen anderer Zeugen verbinden.»

Stig Engström, wegen seiner Anstellung als Werbegrafiker bei einer Versicherung auch «Skandia-Mann» genannt, arbeitete im Nachbarhaus des Kinos Grand, das Olof Palme mit seiner Frau vor dem Attentat besucht hatte. Eine Minute vor dem Mord, der um 23.21 Uhr stattfand, hatte Engström nach Überstunden ausgestempelt.

Täter sprach sogar am TV

Er war einer der ersten, der sich bei der Polizei als Zeuge ausgab. Er behauptete, dass er den Täter davonrennen sah. Auch lieferte er der Polizei ein Fantasie-Signalement, um von der Täterbeschreibung anderer Zeugen abzulenken, die auf ihn zutraf.

Mit seinen angeblichen Beobachtungen trat Engström sogar im schwedischen Fernsehen auf. Dabei machte er vor, wie er den Täter habe davonrennen sehen, und spielte den Enttäuschten, weil die Polizei seine Aussagen zuerst gar nicht aufnehmen wollte.

Die Ermittlungen waren von Anfang an verworren. Über 100 Personen waren tatverdächtig. Alle möglichen Organisationen standen im Fokus: das Apartheid-Regime in Südafrika, einmal die Nato, die PLO, die CIA, der Mossad, die kurdische PKK und sogar die schwedische Sicherheitsbehörde selbst.

Finale Beweise fehlen

Obwohl die Akte Palme-Mord nun geschlossen wird, herrscht in Schweden nur mässige Erleichterung – schliesslich fehlt der finale Beweis für Engströms Schuld. Man erinnert sich nur ungern an den Drogenkranken Christer Pettersson (1947–2004), den man 1989 wegen Mordes an Palme voreilig zu einer Gefängnisstrafe verurteilte. Die zweite Instanz kippte das Urteil und sprach ihn frei.

Bei Engström ist das Konkreteste, das Staatsanwalt Krister Petersson sagt: «Ich bin der Ansicht, dass wir so weit gekommen sind, wie man es von der Untersuchung verlangen kann. Wir kommen nicht um eine Person als mutmasslichen Täter herum, und diese Person ist Stig Engström, der sogenannte Skandia-Mann.»

Sohn erleichtert, aber auch mit letzten Zweifeln

Auch Mårten Palme (58), der Sohn des Ermordeten, sagt: «Ich glaube auch, dass Engström der Schuldige ist. Aber leider gibt es keinen richtig abschliessenden Beweis, damit man mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, dass er es gewesen ist.»

Der Druck auf den Ermittlern, nach 34 Jahren endlich den Mörder zu präsentieren, war enorm. Nun hat man es getan, um die Akten schliessen zu können. Und: Im Gegensatz zu Christer Pettersson, der damals freigesprochen wurde, kann sich ein Toter nicht mehr wehren.

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