Der Geist von Kiew ist nicht mehr. Die wohl sagenhafteste Figur dieses Kriegs war ein Kampfpilot, der laut der ukrainischen Regierung Dutzende russische Flieger abschoss, von dem aber nicht mal die Existenz, geschweige denn seine Taten, gesicherte Informationen sind.
Am Freitag hat die Zeitung «The Times of London» die Identität des Piloten enthüllt: Major Stepan Tarabalka (†29). Am 13. März sei er abgeschossen worden, als er gegen eine «überwältigende Anzahl von Gegnern» kämpfte. Die Zeitung beruft sich auf ukrainische Quellen, welche die Identität und den Tod von Tarabalka bestätigen.
Mehr als 40 Gegner abgeschossen?
Laut der Ukraine hat Tarabalka über 40 russische Flugzeuge abgeschossen. Die Zahl lässt sich, wie fast alles an der Geschichte, nicht verifizieren, dürfte aber tendenziell zu hoch sein.
Sicher ist, dass er posthum mit der höchsten ukrainischen Tapferkeitsmedaille, dem Orden des Goldenen Sterns, und dem Titel Held der Ukraine ausgezeichnet wurde. Dies teilte seine Familie der Zeitung mit.
Angeblich sechs Abschüsse am ersten Tag
Sein Helm und seine Schutzbrille – alles, was von ihm zu sehen war, als ukrainische Beamte für seinen Heldenmut warben – sollen nun versteigert werden.
Tarabalka wurde zur Legende, als die ukrainische Regierung gleich am ersten Tag des Kriegs dem damals noch namenlosen Piloten den Abschuss von sechs russischen Jets zuschrieb. Der Geist von Kiew war geboren. Seither gibt es zahlreiche Beiträge über ihn, wo die Wahrheit aufhört und die Fiktion beginnt, ist schon lange nicht mehr klar.
Lügen entlarvt
Ein Video, das zehntausendfach geteilt und millionenfach angeschaut wurde, in dem er angeblich ein Flugzeug abschiesst, wurde seither eindeutig als Fälschung identifiziert. Das Manöver, das ihm zugeschrieben wird, stammt aus dem Videospiel Digital Combat Simulator, wie Recherchen verschiedener Personen ergaben.
Und ein anderes Foto, das der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko (56) teilte, das angeblich den Geist von Kiew zeigen soll, stellte sich als zwei Jahre alter Beitrag des ukrainischen Verteidigungsministeriums heraus.
«Dann kehrte er nicht zurück»
Nichtsdestotrotz machte die Ukraine ungerührt weiter Propaganda mit ihrem Geist. Um einerseits die Moral der eigenen Truppen zu stärken und andererseits den Gegner zu verunsichern. Kürzlich twitterte der ukrainische Generalstab ein weiteres Bild des Kampfpiloten-Asses im Cockpit seines MiG-29-Jets mit verdecktem Gesicht und der Bildunterschrift: «Hallo, Besatzer, ich komme, um deine Seele zu holen!»
Ob es sich bei Tarabalka tatsächlich um diesen Piloten handelte, der vom Helden nun wohl zum Märtyrer gemacht werden soll, ist nicht klar. Sicher ist dafür, dass Tarabalka tatsächlich ein ukrainischer Pilot war, der Einsätze im Krieg flog. Seine Eltern, Nahtalia und Evon Tarabalka, wurden kurz nach seinem Tod interviewt – als noch nicht klar war, dass er der Helden-Pilot sein soll – und sie erwähnten weder seinen geheimen Status, noch gaben sie einen Hinweis darauf, auf welchen Missionen er gewesen war. «Wir wissen, dass er auf einer Mission geflogen ist. Und er beendete die Mission. Dann kehrte er nicht zurück. Das sind alle Informationen, die wir haben, sagte sein Vater dem Magazin «NPR».
«Er träumte davon, höher als die Wolken zu fliegen»
Seine Mutter sagte weiter, er habe von Kindesbeinen an die MiG-Jets über ihrem Haus beobachtet und immer davon geträumt, Kampfpilot zu werden. «Er hat immer die Fallschirmjäger bei ihren Luftübungen beobachtet. Und er rannte in ihre Richtung, um zu sehen, wo sie landeten. Seit seiner frühen Kindheit träumte er immer vom Himmel, davon, höher als die Wolken zu fliegen.»
Fliegen wird Tarabalka nicht mehr. Aber als Geist von Kiew wird er in die ukrainische Geschichte eingehen – egal, wie viele der Geschichten über ihn nur erfunden waren. (vof)