Ausserdem beklagte das EU-Parlament schwere Menschenrechtsverletzungen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nannte den Versuch, «ganze ethnische Gruppen auszumerzen», eine «schockierende Katastrophe».
Das EU-Parlament in Strassburg forderte die in Myanmar de facto als Regierungschefin tätige «Staatsberaterin» und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi auf, «jegliches Aufwiegeln zu rassistischem oder religiösem Hass unmissverständlich zu verurteilen». Die myanmarischen Streitkräfte töteten Mitglieder dieser Volksgemeinschaft, vergewaltigten Frauen, steckten Häuser in Brand, hiess es in der Entschliessung.
Juncker, der sich den Fragen eines jungen YouTube-Stars stellte, sagte, Europa sei dabei, mit der Regierung von Myanmar und Nachbarstaaten zu erörtern, was es Nützliches tun könne. Zur Frage nach der Aberkennung des Friedensnobelpreises für Suu Kyi äusserte sich der EU-Kommissionspräsident nicht.
Auch US-Aussenminister Rex Tillerson richtete einen Appell an Myanmars Regierung und Armee. «Diese Gewalt muss aufhören», sagte Tillerson in London. Die Lage werde «von vielen als ethnische Säuberung beschrieben», fügte er hinzu. Das Vorgehen gegen die Rohingya sei «inakzeptabel».
Bundesrat Didier Burkhalter zeigte sich «enttäuscht, aber nicht überrascht». Suu Kyis Verhältnis zu den Rohingya sei immer schwierig gewesen, sagte der Schweizer Aussenminister am Donnerstagabend gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Er selbst hatte 2012 die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 1991 in Bern getroffen. Die Schweiz werde aber in Myanmar sehr aktiv bleiben, versicherte Burkhalter; er sei in Kontakt mit verschiedenen Akteuren der Region.
Suu Kyi steht wegen ihres Schweigens angesichts der Verfolgung der Rohingya international in der Kritik. Sie war seinerzeit wegen ihres Kampfes gegen die Militärjunta in ihrem Land ausgezeichnet worden. Die EU erhielt den Friedensnobelpreis im Jahr 2012.
Die Gewalt war Ende August eskaliert. Am 25. August hatten Kämpfer der Rohingya-Rebellengruppe Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa) eine Serie von Angriffen auf Soldaten und Polizisten begonnen und dabei dutzende Sicherheitskräfte getötet. Das Militär reagierte mit brutaler Gegengewalt. Hunderte Menschen wurden seitdem getötet, Hunderttausende flüchteten nach Bangladesch.
Die Arsa wies am Donnerstag jede Verbindung zu internationalen Dschihadisten zurück. Sie unterhalte «keine Verbindungen zu Al-Kaida, dem so genannten Islamischen Staat (IS), Lashkar-e-Taiba (»Armee der Reinen«) aus Pakistan oder anderen länderübergreifenden Terrororganisationen», erklärte sie im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Ausdrücklich rief die Arsa alle Staaten der Region auf, Dschihadisten - islamistische Kämpfer - daran zu hindern, nach Myanmar zu kommen und sich den Kämpfen der Rebellen im Bundesstaat Rakhine anzuschliessen. Sie wolle deren Beteiligung nicht, denn dadurch würde eine bereits «schlimme Situation nur noch schlimmer».
Die muslimische Rebellenbewegung reagierte damit auf einen Aufruf des Al-Kaida-Netzwerks zur aktiven Unterstützung ihres Kampfs.
Nach aktuellen UNO-Angaben flohen seit Ende August fast bis zu 400'000 Rohingya vor der Gewalt nach Bangladesch. Dort leben viele unter verheerenden Umständen in Lagern. Schon vor der jüngsten Gewalteskalation hielten sich allein um die Grenzstadt Cox's Bazar im Osten von Bangladesch mehr als 300'000 Rohingya-Flüchtlinge auf.
Nach Angaben des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF sind drei Fünftel der Flüchtlinge Kinder. Der UNICEF-Vertreter für Bangladesch, Edouard Beigbeder, erklärte, es fehle an allem. Dringend benötigt würden vor allem Schutzräume, Nahrung und sauberes Wasser. Die Gefahr für Kinder, sich durch verseuchtes Wasser Krankheiten zuzuziehen, sei «besonders hoch».
Am Mittwoch hatte der UNO-Sicherheitsrat an die Regierung von Myanmar appelliert, «sofortige Schritte» zur Beendigung der Gewalt gegen die Rohingya-Minderheit zu ergreifen. In der von allen 15 Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrats unterstützten Erklärung wurde zudem freier Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen zu den Notleidenden verlangt.
Die Rohingya gelten als eine der am meisten verfolgten Minderheiten der Welt. Weite Teile der buddhistischen Mehrheit in Myanmar betrachten sie als illegale Einwanderer aus Bangladesch, obwohl viele der Rohingya schon seit Generationen in Myanmar, dem ehemaligen Burma, leben. Ein Gesetz aus dem Jahre 1982 erklärte sie offiziell für staatenlos.