In Israel wankt ein Denkmal: Bei den Parlamentswahlen am Dienstag tritt zum ersten Mal seit Jahren ein Kandidat an, der den nationalkonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (69) vom Sockel stossen könnte.
Der Hoffnungsträger vieler Israeli heisst Benny Gantz (59), der mit Chosen LeJisra'el (Widerstandskraft für Israel) Ende 2018 eine eigene Mittepartei gegründet hat. Von 2011 bis 2015 war er Generalstabschef der Armee und leitete 2014 eine 50-tägige israelische Invasion im Gazastreifen. Dabei starben 2200 Palästinenser und 73 Israeli.
Die Ruhe selbst
Gantz’ Vorteil: Er ist die Ruhe selbst. So sagte er über das iranische Atomprogramm: «Ich weigere mich, in der Frage hysterisch zu werden. Ich kenne Israels Stärke und habe vollstes Vertrauen in unsere Sicherheit.» Auch gilt der Sohn einer Holocaust-Überlebenden als unbestechlich, während Netanjahu ständig in Skandale und Korruptionsaffären verwickelt ist.
Das blau-weisse Bündnis, das Gantz mit Jair Lapid (55), dem Chef der liberalen Partei Jesch Atid, eingegangen ist, hat gute Siegeschancen. Laut aktuellen Umfragen käme Blau-Weiss im 120-köpfigen Parlament auf 30 und Netanjahus Likud-Partei auf 31 Sitze. Falls Blau-Weiss gewinnt, wollen sich Gantz und Lapid als Ministerpräsidenten abwechseln.
Netanjahu reagiert mit einem Rundumschlag auf seine gefährlichen Herausforderer. Sie seien «linke Generäle», die sich als Rechte ausgeben würden. Auch belustigen ihn Gantz' bescheidene Englischkenntnisse.
Fokus auf die Innenpolitik
Der Zürcher Philippe J. Weil (51) ist Inhaber eines Finanzberatungsinstituts mit Sitz in Tel Aviv sowie Vorstandsmitglied mehrerer israelisch-schweizerischer Organisationen. Als Doppelbürger wird er sich an den Wahlen beteiligen und Gantz unterstützen. «Er ist ein vertrauenswürdiger Mann, der weiss, was er kann und was nicht. Als ehemaliger Chief of Staff in der Armee verfügt er über viel Erfahrung und kennt die Probleme Israels.»
Laut Weil würde Gantz eher innenpolitische Themen wie die Verbesserung des Gesundheitssystems und des öffentlichen Verkehrs anpacken, als sich – wie es Netanjahu vorziehe – mit wichtigen Staatschefs wie Putin und Trump ablichten zu lassen.
Neuer Ansatz zur Annäherung?
Weil hofft auch, dass Gantz den Friedensprozess mit den Palästinensern vorantreibt: «Zwar lehnt auch Gantz eine Zweistaatenlösung und die Rückgabe von Land ab, aber vielleicht bringt er einen neuen Ansatz zur Annäherung.»
Wer gewinnen wird, kann Weil noch nicht abschätzen. «Das Rennen entscheidet sich kurzfristig. Aber Netanjahu ist schon zu lange am Ruder. Es muss sich etwas ändern!»