Es ist ein grausamer Tod, den der Schweizer Fotograf René Robert (†85) sterben musste. Er ist vergangene Woche mitten auf einer belebten Strasse in Paris (F) erfroren. Weil ihm stundenlang keiner geholfen hat.
Der Journalist Michel Mompontet (60), ein Freund des Verstorbenen, kann immer noch nicht begreifen, wie das passieren konnte. In der Rue de Turbigo 89, dort wo der gebürtige Freiburger fast neun Stunden im Sterben lag, gebe es nach seinen Informationen drei Videoüberwachungskameras. «Waren sie ausser Betrieb? Wie kommt es, dass in dieser Nacht niemand hinter den Bildschirmen sass?», fragt er gegenüber er der Zeitung «La Depeche». «Wo war die Polizei?»
Die Familie von Robert könne nun vor Gericht gehen, um eine Kopie der Aufnahmen zu erhalten. Der Franzose hofft, dass die Verwaltung einige Antworten liefern könne.
Wie lange war Robert bei Bewusstsein?
Robert war in der Nacht auf den 20. Januar nach dem Abendessen zu einem Spaziergang aufgebrochen. Es war gegen 21.30 Uhr. Die Strassen also noch voller Menschen. Der 85-Jährige stolperte oder erlitt einen Schwächeanfall und fiel zu Boden. Kein Passant eilte ihm zur Hilfe. Erst neun Stunden später hat ein Obdachloser die Ambulanz gerufen. Doch da war es bereits zu spät: Robert starb an Unterkühlung.
Auch über eine Woche nach dem Vorfall sind die Umstände immer noch nicht ganz klar. Michel Mompontet sagt: «Ich weiss nicht, ob wir jemals erfahren werden, warum er es nicht geschafft hat, aufzustehen oder um Hilfe zu rufen.» Nach Angaben der Rettungsdienste soll Robert zunächst noch «eine lange Zeit» bei Bewusstsein gewesen sein und eine Kopfverletzung erlitten haben.
Fotograf sei gut gekleidet gewesen
Er sei überrascht, dass keiner angehalten habe. «Wir befinden uns im Herzen von Paris in einem belebten Viertel, in dem es Restaurants und Touristen gibt.» Es war nicht 4 Uhr morgens, also seien noch immer Leute unterwegs gewesen, sagt er zu «La Depeche». Robert sei «gut gekleidet» gewesen und habe nicht ausgesehen wie «ein Landstreicher, der Angst machen könnte».
Gleichzeitig räumt der Journalist ein, dass er nicht mit Sicherheit sagen könne, ob er selber in einer solchen Situation angehalten hätte. Deswegen könne er den anderen Menschen nichts vorwerfen. «Wir leben in einer Grossstadt und sind täglich mit dem menschlichen Elend konfrontiert, wo ständig unglückliche Menschen auf dem Boden schlafen.»
Angehörige suchen Obdachlosen
Der einzige, der nicht weggeschaut hat, war genau ein solcher Mensch, der selber wohl schon auf dem Boden schlafen musste. Nun möchten die Angehörigen von René Robert den Obdachlosen finden, um ihm dafür zu danken, dass er «Menschlichkeit gezeigt» habe, sagt Mompontet. Die Witwe habe demnach eine Frau namens Fabienne gefunden. Ihr hätten Robert und seine Frau mehrfach Kleidung gespendet. Es soll der Lebensgefährte von Fabienne gewesen sein, der die Ambulanz rief, berichtet «Le Figaro».
René Robert wurde 1936 in Freiburg in der Schweiz geboren. Das Spezialgebiet des Schweizers war die Flamenco-Fotografie. Seit dem Alter von rund 30 Jahren traf er in Paris zahlreiche Künstler, die aus Spanien eingeladen wurden und in der Hauptstadt auftraten. Seine Schwarz-Weiss-Porträts machten ihn auch über die Flamenco-Szene hinaus bekannt. Nächsten Montag wird er in Paris beerdigt. (man)