Mit einer starken Mehrheit, neuen Gesetzen und Merkel will er Frankreich auf Kurs bringen
Überflieger Macron

Bei den Wahlen am Sonntag hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seiner Bewegung «En Marche!» eine Zweidrittelmehrheit geholt. BLICK erklärt, wie der neue starke Mann im Elysée-Palast sein Land und die EU retten will.
Publiziert: 19.06.2017 um 19:15 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:15 Uhr
Emmanuel Macron nahm heute auf dem Luftwaffenstützpunkt Villacoublay bei Paris in einem Airbus A400M platz.
Foto: Reuters/Pool/Michael Euler
Johannes von Dohnanyi

Zumindest eines seiner vielen Versprechen hat Emmanuel Macron bereits gehalten. Seit der Stichwahl zur Nationalversammlung am vergangenen Sonntag ist die Französische Republik «en Marche!» – in Bewegung.

Der erst 39 Jahre junge Präsident hat sein Traumziel einer Zweidrittelmehrheit zwar nicht erreicht. Als so sicher galt sein Sieg, dass 57 Prozent der Wahlberechtigten am Sonntag lieber an den Strand als zur Urne gingen. Vielleicht auch aus Sorge vor zu viel Macht haben die Franzosen Macron den erhofften politischen Blankoscheck verweigert. Dennoch: «La Republique en Marche!» (REM) wird im neuen Parlament 350 von 577 Abgeordneten stellen.

Front National erreicht jämmerliche acht Sitze

Nicolas Sarkozys konservative Republikaner und die Sozialisten des glücklosen François Hollande – nur noch Politstatisten. Weit abgeschlagen auch die europa- und globalisierungsfeindliche Linke. Und der rechtspopulistische Front National unter Marine le Pen erreicht mit jämmerlichen acht Sitzen noch nicht einmal mehr Fraktionsstatus.

Nach vier Wahlen innert sechs Wochen: ein politisches Erdbeben in Paris und nur schwer einzuschätzende, tektonische Verwerfungen in der Europäischen Union! Für den neuen starken Mann im Élysée-Palast sei es die «Krönung an der Urne» gewesen, schrieb der «Spiegel»: Willkommen «Emmanuel I.»

Denn Macron kann, zumindest von den Zahlen her, durchregieren. Und er scheint entschlossen, die Gunst der Stunde – und der politischen Sommerpause – zu nutzen. Noch im Juni will er den französischen Arbeitsmarkt deregulieren.

Heilende Kräfte des Brexit

Andere Wirtschaftsreformen sind bereits ebenso in Arbeit wie ein neues Anti-Terror-Gesetz, das Frankreich von den seit bald zwei Jahren geltenden Notstandsregeln befreien soll. Und ganz en passant setzt Macron auf die heilenden Kräfte des Brexit. Mehrfach schon hat er die historische Achse Paris-Berlin beschworen. Er versucht, Angela Merkel zu weitreichenden Reformen in der Europäischen Union zu verführen.

Notfalls auch gegen ihren deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, der Eurobonds und ähnliche Instrumente gegen die schwelende Schuldenkrise nach wie vor strikt ablehnt. Emmanuel I. weiss, dass ihm trotz der kommoden parlamentarischen Majorität wenig Zeit bleibt. Das Chaospotenzial in der eigenen Fraktion ist immens. Viele seiner Parlamentarier sind vor allem begeistert. Politische Erfahrung bringt kaum einer mit. So unkompliziert war der bisherige Durchmarsch von «En Marche!», dass sich die Frischlinge des Präsidenten in der Kunst politischer Kompromisse und fraktionsübergreifender Allianzen bislang nie üben mussten.

Es wird, davon muss Macron ausgehen, auch heftigen Streit in seiner Fraktion geben. Auf dem Reformweg könnten ihm einige Parlamentarier verloren gehen. Vor allem aber: Spätestens im Herbst werden die versprengten Reste seiner Gegner die momentane Schockstarre abgeschüttelt haben. Die Opposition gegen Macrons Reformen wird dann nicht mehr im Parlament, sondern auf den Strassen und Plätzen der Republique stattfinden.

Eine Flut von Veränderung

Sozialliberale Veränderungen gelten den rechten wie den linken Hardlinern des französischen Politspektrums seit jeher als Teufelswerk. Die mächtigen linken Gewerkschaften haben in der Vergangenheit noch jede Wirtschaftsreform verhindert, die an den Versorgungsprivilegien ihrer Mitglieder auch nur kratzte. Jeder Versuch, die elitären Pfründe der französischen Verwaltung zu beschneiden, endete für die Reformer mit einer schmerzhaften Niederlage.

Dem Präsidenten bleibt daher nichts anderes übrig, als die derzeitige Hoffnung auf einen Wirtschaftsaufschwung sofort zu nutzen. Zum ersten Mal seit langem glaubt die Mehrheit der Franzosen wieder, ein kleines Licht am Ende des jahrelang durchfahrenen Tunnels entdeckt zu haben. Der studierte Volkswirt Macron weiss: Ökonomischer Erfolg wird in belastbaren Zahlen und nicht in Kategorien wie Hoffnung und Glaube gemessen.

Bis dahin bleibt Emmanuel I. nur die Zuversicht, dass Glaube manchmal eben auch Berge versetzen und ideologische Dämme so sehr beschädigen kann, dass aus seinen Reformplänen kein dürftiges Rinnsal, sondern eine alles verändernde Flut wird.

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