Misstrauen gegenüber britischem Premier
Johnson muss bald konkrete Brexit-Vorschläge liefern

Die EU-Kommission wartet nach eigenen Angaben mehr als einen Monat nach dem Amtsantritt des Premiers Boris Johnson weiter auf konkrete Vorschläge zur Vermeidung eines Chaos-Brexits. Auch Irland fordert konkrete Vorschläge.
Publiziert: 30.08.2019 um 15:26 Uhr
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Aktualisiert: 30.08.2019 um 16:30 Uhr
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Boris Johnson stürzt die Politik ins Brexit-Chaos: Der britische Premierminister hat das Parlament für mehrere Wochen lahmgelegt.
Foto: AFP

«Wir erwarten, dass Grossbritannien konkrete Vorschläge vorlegt», sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Freitag. Das habe EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Johnson im Laufe der Woche bereits klargemacht. Diese müssten mit dem bereits ausgehandelten Austrittsabkommen vereinbar sein, hiess es weiter.

Johnson und EU streiten über den Backstop

Knackpunkt im Streit zwischen London und Brüssel ist vor allem der sogenannte Backstop. Diese Klausel würde Grossbritannien so lange an bestimmte EU-Regeln binden, bis eine andere Lösung zur Vermeidung von Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland gefunden ist. London sieht darin inakzeptable Fesseln. Das Austrittsabkommen scheiterte bereits drei Mal im britischen Parlament.

In der kommenden Woche seien nun erstmals weitere Gespräche mit Johnsons Brexit-Berater David Frost geplant. Dieser habe die EU-Kommission um zwei Treffen pro Woche gebeten, hiess es.

Misstrauen gegenüber dem britischen Premier

Einige EU-Regierungen zweifelten an der Ernsthaftigkeit von Johnsons Verhandlungsankündigung. «Die Briten haben nichts im Köcher», sagte ein Diplomat. Dem Premierminister gehe es womöglich nur um den «Schein von Verhandlungen».

Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn nannte einen drohenden Austritt ohne Abkommen «eine Katastrophe». Tausende Arbeitsplätze seien dann bedroht, sagte er in Helsinki. Er schloss eine Verschiebung des Brexit nicht aus, wenn dies zu einem Ergebnis führen könne. «Aber wenn man nur verlängert, um zu verlängern, wird es schwierig.»

Asselborn nannte die von Johnson angekündigte Aussetzung der Parlamentsarbeit in Grossbritannien vor dem Brexit-Termin «merkwürdig». Westminister sei immerhin «die Mutter der Parlamente» und werde nun «an den Rand gedrängt», sagte er. Das sei nicht normal.

Auch Irland fordert «glaubwürdige» Vorschläge zum Brexit

Die irische Regierung hat den britischen Premierminister Boris Johnson aufgefordert, belastbare Vorschläge für Verhandlungen über den Brexit vorzulegen. «Wir wollen alle eine Vereinbarung, aber bisher ist nichts Glaubwürdiges von der britischen Regierung gekommen», sagte Irlands Aussenminister Simon Coveney am Freitag in Helsinki.

Er bezog sich dabei auf mögliche Alternativen zur umstrittenen Auffanglösung, um Grenzkontrollen zwischen Irland und der britischen Provinz Nordirland zu verhindern. Er hoffe, dass aus London vor dem geplanten Austritt aus der EU Ende Oktober noch etwas kommen werde, sagte Coveney beim Treffen der EU-Aussenminister. «Aber es muss glaubwürdig sein.» 

Grossbritannien könne nicht einfach an der Position festhalten, die Auffanglösung aus dem Austrittsabkommen mit der EU zu streichen. «Das wird nicht durchgehen.»

Was ist der Backstop?

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

Größter Streitpunkt der Brexit-Verhandlungen ist der sogenannte Backstop.

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

EU-Austritt Ende Oktober naht

Grossbritannien wird die EU nach derzeitigem Stand am 31. Oktober verlassen. Johnson will den Austritt notfalls ohne Abkommen durchziehen, eine Mehrheit der britischen Parlamentarier will dies unbedingt verhindern. (SDA)

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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Die komplette Brexit-Chronologie

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.

BLICK zeigt die wichtigsten Stationen des chaotischen Prozesses seit dem Austrittsvotum der Briten auf.


Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.

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