So sieht Lahaina nach dem verheerenden Feuer aus
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Vorher-Nachher-Vergleich:So sieht Lahaina nach dem verheerenden Feuer aus

Mike Cicchino (37) entkam dem Flammeninferno auf Maui knapp
«Es wurde sehr heiss, das Atmen fiel schwer»

Es ist die tödlichste Feuersbrunst in den USA seit 100 Jahren. Die Brände im Nordwesten der Hawaii-Insel Maui legten 3000 Häuser in Schutt und Asche. Viele Menschen verbrannten Zuhause oder in ihren Autos. Mike Cicchino (37) und seine Frau konnten sich retten.
Publiziert: 14.08.2023 um 22:29 Uhr
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Aktualisiert: 16.08.2023 um 10:32 Uhr
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Der Grossbrand im Nordwesten der Hawaii-Insel Maui aus der Vogelperspektive. Dieses dramatischen Foto wurde auf Twitter gepostet. Den Schaden, den die Feuersbrunst angerichtet hat geht in die Milliarden US-Dollar.
Foto: Twitter
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Myrte MüllerAussenreporterin News

In der Sonntagsmesse am Rescue Point Kapalua ringt der Bischof von Honolulu um Worte. «Wenn Ihr wütend seid auf Gott, dann sagt es ihm. Doch gebt nicht euren Glauben auf», fleht Clarence «Larry» Silva von der Kanzel herab.

Einige Menschen auf den Holzbänken der kleinen Baptistenkirche halten sich an ihren Smartphones fest wie an Rettungsankern, in der Hoffnung, dass endlich jemand ihrer vermissten Lieben auf ihre Anrufe antwortet. Andere schluchzen leise, beten. Manche unter ihnen haben fast ihre ganzen Familien verloren. Wie Taufa Samisoni. Seine Tante, sein Onkel, sein Cousin und dessen siebenjähriger Sohn sind in den Flammen umgekommen.

In die Trauer mischt sich auch Wut. Als das Feuer im Nordwesten der zweitgrössten Insel Hawaiis ausbricht, versagt der Katastrophenalarm. Die Bewohner werden von der Feuerwalze überrascht. Die Behörden lassen Strassen sperren. Fliehende Menschen sitzen im Stau in der Todesfalle. Schliesslich kommen auch Rettung und Notversorgung nur schleppend voran.

Das Touristenparadies gleicht einer verkohlten Wüste

Wer in Kapalua eintrifft und in Notunterkünften einquartiert wird, ist den verheerenden Bränden rund um den 13'000-Seelen-Ort Lahaina entkommen. Bis zum 8. August 2023 war es ein schmuckes Fleckchen Erde mit historischen Bauten, Plantagen, paradiesischen Stränden, das jährlich zwei Millionen Besucher anzog. Heute gleicht Lahaina und das Gebiet landeinwärts einer verkohlten Wüste.

Die Flammen fressen in einer Woche 850 Hektar, legen fast 3000 Häuser in Schutt und Asche. Der Schaden liegt bei sechs Milliarden US-Dollar. Lange Schlangen vollkommen ausgebrannter Autos lassen die Tragödie erahnen, die an jenem Dienstag ihren mörderischen Lauf nahm. Die Behörden melden aktuell 99 Todesopfer. Nur von zwei Toten weiss man, wer sie sind. Polizeichef John Pelletier ruft die Bevölkerung zu DNA-Tests auf, um die Identifizierung der Leichen zu beschleunigen.

Bislang erreichten die Hundertschaften der Bergungsmannschaften lediglich drei Prozent des Katastrophengebietes. Obwohl das Feuer weitgehend unter Kontrolle ist, bleibt der Boden noch immer bis zu 200 Grad heiss. In den verbrannten Häusern konnte noch nicht nach Opfern gesucht werden. «Die Zahl der Toten wird steigen», kündigt Gouverneur Josh Green (53) an. Über 1000 Menschen würden noch vermisst. «Die nächsten Tage werden herzzerreissend sein», so Green.

Rettung nach zwölf Stunden reinster Hölle

Am Rescue Point Kapalua umklammert Mike Cicchino (37) seine Ehefrau und seine Mutter. Immer wieder bricht der Mann aus Lahaina in Tränen aus. «Ich wollte meine Familie in diesem Moment gar nicht mehr loslassen», erzählt er später US-Medien. Zwölf Stunden reinste Hölle liegen hinter dem Hawaiianer.

Mike Cicchino und seine Frau Andreza führen eine Hundepension. Am 8. August verlässt der 37-Jährige das Haus. «Da sah ich schon überall das Feuer», so der Hundesitter. Cicchino setzt sich mit seiner Frau und fünf Hunden ins Auto und folgt dem Verkehr gen Süden, bis sie feststecken, weil die Strassen gesperrt sind. «Menschen rannten in alle Richtungen um ihr Leben. Aber niemand wusste, wohin», sagte Cicchino gegenüber CNN. Man sei vom Feuer umzingelt gewesen.

«Mutter, vielleicht werde ich sterben»

Der Notruf 911 ist blockiert. Also ruft Cicchino seine Mutter an, die auf der anderen Seite der Insel wohnt. Er verabschiedet sich mit den Worten «vielleicht werde ich sterben». Mike Cicchino, seine Frau Andreza und die Hunde springen über die Ufermauer in die vom Hurrikan aufgepeitschte Gischt. Doch der Mann will helfen und kehrt an Land zurück. Er steigt über leblose Körper, fühlt deren Puls. In Panik Herumirrende bringt er an die Ufermauer, führt sie ins Wasser.

Doch auch im Meer sind sie nicht sicher. «Die Autos an der Uferstrasse explodierten, Trümmer flogen ins Wasser. Es wurde sehr heiss und das Atmen fiel schwer», erzählt Mike Cicchino weiter. Ein Rettungsschiff schafft es nicht über das Riff zur Küste, wo die Menschen mit den Wellen kämpfen. Zwei Surfer paddeln herbei, ziehen einen nach dem anderen aufs Brett. Zum Schluss auch Mike, Andreza Cicchino und seine Hunde – nach drei Stunden im Wasser. Am Mittwoch ist die Familie in Kapalua endlich wieder vereint.

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