Die TV-Sendung von Maybrit Illner hatte gestern Abend den Titel «Chaos in der Flüchtlingskrise – Verliert Merkel die Kontrolle?»
Der Hintergrund: In den letzten Tagen waren selbst die Minister Thomas de Maizière und Wolfgang Schäuble auf Distanz zu «Wir schaffen das»-Merkel gegangen.
Bei Maybrit Illner wurde die Lage dramatisch umschrieben: «Der Putsch findet jetzt gerade statt», erklärte Christoph Schwennicke, Chefredaktor des politischen Magazins Cicero. Es sei so, dass Thomas de Maizière und Wolfgang Schäuble ganz erkennbar anderer Meinung seien als Angela Merkel: Sie möchten die Politik des offenen Schlagbaumes nicht mittragen. Sie greifen der Kanzlerin ins Lenkrad, weil sie der Meinung sind, es geht in die falsche Richtung.»
Der Grünen-Chef Cem Özdemir argumentierte ähnlich wie Schwennicke: «Die Regierung zerlegt sich gerade.»
Die Demoskopin und Allensbach-Chefin Renate Köcher sagte heute auf «welt.de»: «Die Mehrheit der Bevölkerung hat den Eindruck, dass man die Kontrolle verloren hat.» Angela Merkel galt eben noch als stärkste Frau Europas.
Und jetzt? Kommt der Machtwechsel? Demoskopin Köcher erklärt: «Zurzeit verliert die CDU, obwohl die Bevölkerung ihr noch am ehesten zutraut, dieses Problem überhaupt in den Griff zu bekommen. Von daher steht die Union unter einem enormem Erwartungsdruck. Die Zufriedenheit mit dem Kurs von Frau Merkel abseits der Flüchtlingsthematik hat nur begrenzt gelitten. Doch in der Flüchtlingsfrage geht die Bevölkerung auf Distanz.»
Und international? «Zurzeit scheint ein Teil unserer europäischen Nachbarländer mit einem gewissen Erstaunen auf uns zu schauen», findet Demoskopin Köcher. «Manche haben den Eindruck, dass wir unsere eigenen Interessen unzureichend analysieren und berücksichtigen.»
Wie entwickelt sich die Lage auf der Balkanroute? Österreich verstärkt wegen des Flüchtlingsandrangs seine Grenzsicherung zu Slowenien. Dazu gehören zunächst mehr Patrouillen. Ausserdem soll in etwa ein bis zwei Monaten ein knapp vier Kilometer langer Zaun direkt am Grenzübergang Spielfeld entstehen.
Slowenien begann bereits am Mittwoch mit dem Bau erster Grenzzäune zu Kroatien. Laut Regierungschef Miro Cerar soll die Absperrung auch dazu dienen, eine «humanitäre Katastrophe» zu verhindern, die mit dem erwarteten Anstieg bei den Flüchtlingszahlen ausgelöst werden könnte. Da Österreich plane, die Zahl der ankommenden Flüchtlinge auf 6000 pro Tag zu begrenzen, könne sich in Slowenien ein Rückstau bilden. (uhg)