Menschenrechte
Uno-Tribunal: Karadzic will Aufhebung von Schuldspruch

Den Haag – Der Völkermord-Prozess gegen Radovan Karadzic geht in die letzte Runde. 40 Jahre Gefängnis lautete das Urteil der ersten Instanz. Aber der Ex-Serbenführer will sich damit nicht abfinden. Der 72-Jährige sieht sich als Friedensstifter".
Publiziert: 23.04.2018 um 15:16 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:17 Uhr
In Den Haag hat am Montag der Berufungsprozess des früheren bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic (Mitte) begonnen. Der 72-Jährigen fordert im Völkermord-Prozess einen Freispruch.
Foto: Keystone/EPA REUTERS POOL/YVES HERMAN / POOL

Im Berufungsprozess zum Völkermord von Srebrenica forderte Karadzic die Aufhebung des Schuldspruchs. «Das ist keine Gerechtigkeit», sagte er am Montag in Den Haag vor dem Uno-Tribunal. Seine Anwälte forderten, dass das Urteil von 40 Jahren Haft der ersten Instanz aufgehoben werde.

Der ehemalige Serbenführer habe keinen fairen Prozess erhalten, erklärte sein Anwalt Peter Robinson. Die Richter müssten ihn daher freisprechen oder einen neuen Prozess anordnen.

In erster Instanz hatte das Uno-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien Karadzic 2016 für den Völkermord von Srebrenica, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Balkan-Krieg in den 1990er Jahren zu 40 Jahren Haft verurteilt.

Die Richter sahen seine Schuld für tausendfachen Mord als erwiesen an, für Zwangsvertreibungen von bosnischen Muslimen und auch für die 44 Monate lange dauernde Belagerung der bosnischen Stadt Sarajevo. Dabei waren etwa 10'000 Bürger getötet worden.

Auch die Ankläger hatten Berufung gegen das Urteil eingelegt und fordern eine lebenslange Haftstrafe. Sie wollen auch erreichen, dass die systematische Terrorkampagne in verschiedenen Gemeinden als Völkermord gewertet wird.

Beobachter dieser letzten Runde des Mammut-Prozesses sind auch Vertreter von Opfern. Die «Mütter von Srebrenica» forderten eine Verschärfung der Strafe: «Nur lebenslange Haft ist eine echte Strafe», sagte eine Sprecherin.

Karadzic, der sich seit 2008 vorwiegend selbst verteidigt, präsentierte sich im Gerichtssaal als «Friedensstifter» des Balkans. «Ich habe vor dem Krieg gewarnt, aber ihn nicht geschürt», sagte er den fünf Richtern. Die Serben hätten nur von ihrem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht. «Wir haben nie jemanden vertrieben», sagte Karadzic. «Das ist ein Mythos.»

Bosnische Muslime und Kroaten hätten damals eine Allianz geschmiedet, um Serben zu vernichten, sagte er. Dabei zog der frühere Psychiater mehrfach die Parallele zum Zweiten Weltkrieg und Massakern an Serben durch die faschistischen kroatischen Ustascha.

Karadzic war erst nach 13 Jahren auf der Flucht in Serbien als alternativer Heiler entdeckt und an das Gericht ausgeliefert worden. Er gilt als politisch Hauptschuldiger für den Völkermord von Srebrenica.

1995 hatten serbische Einheiten unter dem serbischen General Ratko Mladic die damalige Uno-Schutzzone überrannt und dann rund 8000 muslimische Männer und Knaben ermordet. Das Massaker gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit Ende des Zweiten Weltkrieges.

Mladic war im vergangenen Jahr zu lebenslanger Haft verurteilt worden - unter anderem auch für den Völkermord von Srebrenica. Auch er legte Berufung ein.

Das Uno-Gericht setzte zwei Tage für die Anhörungen an. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet. Das Berufungsverfahren wird vom sogenannten Mechanismus für Uno-Tribunale verhandelt, der Nachfolge-Organisation der Kriegsverbrechertribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda.

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