Das Gipfeltreffen zwischen Donald Trump (72) und Wladimir Putin (65) in Helsinki hat den US-Präsidenten in eine tiefe Krise gestürzt. Parteikollegen und Freunde Trumps haben dessen Auftritt am Montagabend mit den Worten «bizarr», «peinlich» und «beschämend» beschrieben. Sein ehemaliger Berater Newt Gingrich erklärte die Pressekonferenz zum «schwersten Fehler seiner Präsidentschaft» (BLICK berichtete).
Trump hatte vor der internationalen Gemeinschaft offen seine Geheimdienstleute diskreditiert. Er sagte: «Es gab keine Wahlkampfeinmischung Russlands.» Putin sei ihm gegenüber in seinem Dementi «extrem stark und kraftvoll gewesen». Das hiess im Umkehrschluss: Der US-Präsident vertraut den Worten des Kreml-Chefs mehr als seinen eigenen Geheimdienstleuten.
Das historische Eingeständnis von Trump
Der kollektive Aufschrei war auch am Dienstag noch nicht verhallt. Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan, hat seinen Vorwurf nochmals bekräftigt: Russland habe versucht, sich in den US-Wahlkampf 2016 einzumischen. «Der Präsident muss verstehen, dass Russland nicht unser Verbündeter ist», sagte Ryan.
Donald Trump schien im Verlauf des Dienstags so langsam zu begreifen, dass er einen Fehler begangenen hat. Er rief die Presse am Dienstagnachmittag (Ortszeit) ins Weisse Haus und las den vielleicht bald historischen Satz ab: «Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Russen versucht haben, sich in unsere Wahlen einzumischen.»
Trump gibt Missverständnis an – Demokraten glauben ihm nicht
Hat Trump tatsächlich einen Fehler eingestanden? Nicht direkt. Der US-Präsident macht ein Missverständnis geltend. Er habe die «doppelte Verneinung» vergessen. Trump sagte in Helsinki bezogen auf die Wahlkampfeinmischungen: «Ich sehe keinen Grund, warum Russland so was machen würde.» Eigentlich sagen wollte er nach eigenen Angaben aber: «Ich sehe keinen Grund, warum Russland so was nicht machen würde.» Heisst: Der US-Präsident hat einfach ein kleines, aber wichtiges Wort vergessen.
Wirklich abkaufen tun ihm die US-Demokraten das vermeintliche Missgeschick nicht. Senat-Minderheitenführer Charles Schumer schrieb auf Twitter, dass der Präsident nun versuche, sich aus der Angelegenheit rauszuwinden: «Es ist 24 Stunden zu spät und der falsche Ort dafür.»
«Das ist seine bisher grösste politische Kehrtwende»
Doch weshalb diese Kehrtwende? BLICK erreicht den renommierten US-Politwissenschaftler Peter Gourevitch (75) von der Universität von Kalifornien. Er sagt: «Es ist nicht das erste Mal, dass sich unser Präsident von seinen eigenen Worten distanziert. Erst vergangene Woche kritisierte er Grossbritanniens Premierministerin Theresa May in einem Zeitungsinterview. Nach der Publikation wollte er von seiner Kritik plötzlich nichts mehr wissen.»
Auch Ted Morton, US-Experte und Politwissenschaftler an der Universität von Calgary (Kanada), sagt zu BLICK: «Das ist kaum seine erste politische Kehrtwende, aber es ist seine bisher grösste.»
Rücktrittsdrohungen und Druck aus Washington
Am Dienstag kamen Spekulationen auf, dass ein oder mehrere wichtige Trump-Berater wegen dessen Helsinki-Auftritts zurücktreten könnten. Morton glaubt, dass diese Drohungen und der Druck im inneren Kreise Washingtons Trump zur Kehrtwende gezwungen haben. «Hätten Berater wie Dan Coates den Bettel hingeworfen, hätte dies Trumps Glaubwürdigkeit enorm geschadet», ist Morton überzeugt.
Auch Peter Gourevitch nennt den Druck in Washington als Hauptgrund für den Turnaround. «Aber Trump ist halt auch ein TV-Präsident. Es ist gut möglich, dass er nach seiner Rückkehr aus Europa die Kritik im Fernsehen sah und dann selbst beschloss, eine Klarstellung vorzulesen.»
Weder Morton noch Gourevitch glauben der Erklärung des US-Präsidenten. Beide Politwissenschaftler sagen zu BLICK: «Trump lügt wie gedruckt. Aber das kann man natürlich nicht beweisen.»
Wie wird sich Trumps Verhalten auf die Halbzeitwahlen auswirken?
Die Auswirkungen für die Halbzeitwahlen in den USA im November sind zurzeit schwer absehbar. Gemäss Morton komme es nun darauf an, wie sich Trump weiter verhält. «Wenn es ihm und seiner Partei gelingt, die Sache unter den Teppich zu kehren und wieder über die Wirtschaft zu sprechen, wird sich im Spätherbst kaum noch jemand von den republikanischen Wählern an den Auftritt erinnern.»
Auch Gourevitch sieht gute Chancen für die Republikaner, dass die «Schande von Helsinki» keine schwerwiegende Auswirkungen für die Partei habe. «90 Prozent der republikanischen Wählerschaft stehen hinter Trump. Sie werden seine Parteikollegen weiter wählen, damit er in seiner Macht nicht eingeschränkt wird.»
Seit Donald Trump 2016 zum 45. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt wurde, wirbelt er die internationale Politik durcheinander. Bleiben Sie auf dem Laufenden mit allen Bildern, News & Videos aus den USA.
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