Medienbeben in Deutschland
So kam es zum Rauswurf von «Bild»-Chef Reichelt

Der «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt muss abtreten. Mehrere Recherchen haben zu seiner Entmachtung im Axel-Springer-Verlag geführt. Das sind die Hintergründe.
Publiziert: 19.10.2021 um 05:51 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2021 um 07:16 Uhr
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Julian Reichelt ist nicht mehr Chefredaktor der «Bild».
Foto: keystone-sda.ch

Julian Reichelt (41) ist seinen Job los. Am Sonntag erschien eine Story in der «New York Times» über angebliche Machtmissbräuche des nun Ex-Chefredaktor der «Bild». Reichelt wurde nun mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden.

Doch der Story in der renommiertesten US-Zeitungen kamen Recherchen in Deutschland zuvor – die jedoch durch den Verleger Dirk Ippen (81) gestoppt wurden. Ein deutsches Investigativreporterteam von «Ippen Investigativ» hatte Beweise gesammelt, dass Julian Reichelt seine Macht bei der «Bild» ausgenutzt habe.

Sie war Praktikantin, er ihr Chef

Genauer: Er habe eine Affäre mit einer Praktikantin, damals 25, angefangen. Reichelt war zum Zeitpunkt der sexuellen Beziehung 36 – und soll der Berufseinsteigerin einen höheren, prestigeträchtigen Posten verschafft haben.

«Wenn die herausfinden, dass ich eine Affäre mit einer Praktikantin habe, werde ich meinen Job verlieren», soll Reichelt laut der «New York Times» im November 2016 zu ihr gesagt haben. Das sollen schon Ermittlungen im Frühjahr ergeben haben.

«So läuft das immer bei ‹Bild›»

Er habe sie in Hotels in Berlin getroffen. «So läuft das immer bei ‹Bild›», sagte die Praktikantin den Ermittlern. «Wer mit dem Chef schläft, bekommt einen besseren Job.»

Laut der «New York Times» habe er auch eine Zahlung von 5000 Euro an eine Praktikantin veranlasst, mit der er eine Affäre gehabt habe. Sie habe darüber Stillschweigen bewahren sollen.

«Missstände und Machtmissbrauch»

Doch das deutsche Recherche-Team konnte darüber nicht berichten. «Unsere Recherche-Ergebnisse deuten auf Missstände und Machtmissbrauch im Hause Axel Springer und durch den mächtigsten Chefredakteur Deutschlands hin.» An den Recherche-Ergebnissen bestehe «ohne jeden Zweifel» ein hohes öffentliches Interesse, erklären die Reporter in einem Protestbrief.

Im «Spiegel» wurden jetzt Teile der Recherche veröffentlicht. Es gehe um das Machtgefälle zwischen jungen Frauen und Reichelt, um Sex, der zwar einvernehmlich war, aber womöglich mit beruflichen Vor- und Nachteilen verbunden gewesen sei.

Bei der «Bild» sei demnach bekanntgewesen, dass der Chefredaktor junge Praktikantinnen und Volontärinnen treffe. Laut dem «Spiegel» seien Frauen bei der «Bild» nach ihrem Aussehen, ihrer «Fuckability» beurteilt worden.

Untersuchung im Frühjahr – jetzt folgt Rauswurf

Schon im Frühjahr gab es eine interne Untersuchung gegen Reichelt. Mehrere Frauen wurden befragt. Im Frühling wurde er für 12 Tage beurlaubt. Das Verfahren habe jedoch nichts aufgedeckt, was zu einer Kündigung führen könne – so der Verlag damals.

Doch jetzt heisst es, dass man durch die Recherchen erfahren habe, dass Reichelt «Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat.» Laut dem «Spiegel» habe er gegenüber dem Verlag über jene Beziehung nicht die Wahrheit gesagt. Später habe er diese auch nicht beendet.

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Derweil verabschieden sich seine Kollegen, darunter «Bild»-Vize Paul Ronzheimer (36), bei «Bild TV» mit freundlichen Worten von Reichelt. «Heute ist ein schwerer Abend, insbesondere auch für mich. Ich möchte mich bedanken, bei jemandem, der nicht mehr Bild-Chefredakteur ist, Julian Reichelt.» (euc)


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