In Brüssel zweifelt niemand mehr ernsthaft an einer Fristverlängerung für die Briten. Die würden die EU sonst am Freitag verlassen – ohne Deal.
Nach und nach sind die europäischen Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedsstaaten am Mittwochabend in der belgischen Hauptstadt eingetrudelt. Um 18.30 Uhr (Schweizer Zeit) begann die Sondersitzung des Europäischen Rates.
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Die ist nicht öffentlich. Theresa May will eine Brexit-Verlängerung bis zum 30. Juni erwirken. Der Sinn der Sondersitzung sei, eine Fristverlängerung zu beschliessen, die es Grossbritannien ermögliche, die EU problemlos und geordnet zu verlassen, sagte sie vor der Sondersitzung in Brüssel.
«Ich habe um eine Verlängerung bis zum 30. Juni gebeten aber es ist wichtig, dass es uns jede Fristverlängerung ermöglicht, auszutreten, sobald wir das Austrittsabkommen ratifiziert haben», sagte May. Grossbritannien könne dann auch rechtzeitig vor den EU-Wahlen am 22. May austreten.
Macron gibt den «bad Cop»
May muss nun vor ihren Amtskollegen ihre Position verteidigen und Fragen beantworten. Anschliessend muss sie vor die Tür – die 27 verbleibenden Staats- und Regierungschefs entscheiden beim privaten Dinner.
Sie alle hoffen, dass die Sondersitzung diesmal nicht so lange dauert wie beim letzten Mal. Da dauerten die Diskussionen spät in die Nacht ganze acht Stunden.
Ihre Positionen haben die meisten darum schon im Vorfeld klargemacht:
Donald Tusk: Der EU-Ratspräsident wirbt seit Freitag eifrig für die «Flextension». Gemeint ist ein flexibler Aufschub über 12 Monate. Die Verlängerung endet, sobald das Austrittsabkommen akzeptiert und vom britischen Parlament ratifiziert ist.
Emmanuel Macron: Er findet, die EU müsse nicht alles tun, um einen harten Brexit zu verhindern. Während Tusk den guten Polizisten spielt, hat Macron die Rolle des «bad Cop» übernommen. Im Gegenzug für eine Fristverlängerung will er Grossbritannien als «halbes Mitglied» behandeln und regelmässig überprüfen lassen – und aus der EU rausschmeissen, falls sich das Land «schlecht verhält». Zudem soll Grossbritannien bei wichtigen Entscheidungen nicht mitstimmen dürfen.
Angela Merkel: Die deutsche Kanzlerin will ihre britische Freundin May nicht im Stich lassen. Den Torys und Labour will sie eine «vernünftige Zeit» geben, um einen geordneten Brexit hinzubekommen. Der Zeitraum dafür könnte flexibel sein. Sie stellt sich also in Tusks Linie.
Michel Barnier: Der EU-Chefverhandler macht seine Position deutlich. Er will eine Fristverlängerung nur, wenn sie «sinnvoll» ist. Sprich: Wenn May erklären kann, wie sie ihren Deal in dieser Zeit durchs Parlament bekommt.
Leo Varadkar: Der irische Ministerpräsident glaubt nicht an einen harten Brexit am Freitag. Er hat überhaupt sehr viel Verständnis für Theresa May: Wie er selbst hat sie keine Mehrheit im Parlament. Da sei es nun mal schwer, den Deal durchzubekommen. Varadkar sähe die Briten am liebsten in einer Zollunion mit der EU – und findet, die EU solle bei Handelsabkommen die britische Position berücksichtigen.
Xavier Bettel: Luxemburgs Ministerpräsident stellt klar, was seine Bedingung ist – sind die Briten zur EU-Wahl noch Mitglied, müssen sie auch wählen.
Dalia Grybauskaite: Der litauische Präsident sieht es als «sehr wahrscheinlich» an, dass die Fristverlängerung über den 30. Juni hinausreicht.
Andrej Babis: Tschechiens Präsident glaubt, die Entscheidung über die Fristverlängerung werde schnell fallen. Und dass Grossbritannien deutlich mehr Zeit bekommt, als erwartet.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.
BLICK zeigt die wichtigsten Stationen des chaotischen Prozesses seit dem Austrittsvotum der Briten auf.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.
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