An einem geheimen Ort irgendwo in Afrika werden zwölf Männer festgehalten, die eigentlich Seeleute sind, jetzt aber als Faustpfand dienen. Ihr Albtraum begann vor einem Monat. Im Golf von Guinea, 130 Kilometer vor der Küste Nigerias, kaperten Piraten ihr Frachtschiff, die MV Glarus, die unter Schweizer Flagge fährt. Mit Schnellbooten preschten die Seeräuber heran, kletterten mit Leitern auf die Brücke, zerschnitten den Stacheldraht und zerstörten den Funk. Einem Ingenieur schossen sie ins Bein. Sieben Filipinos, ein Kroate, ein Bosnier, ein Slowene, ein Ukrainer und ein Rumäne wurden gekidnappt, Schweizer sind keine darunter. Die Piraten fordern Lösegeld, die Verhandlungen ziehen sich in die Länge.
Die Entführung im derzeit wohl gefährlichsten Gewässer der Welt beschäftigt Tausende Seemeilen entfernt auch die Justiz eines Binnenlandes. Schweizer Staatsanwälte nehmen die afrikanischen Piraten ins Visier: Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt hat ein Vorverfahren in der Sache eröffnet, wie Kriminalkommissär René Gsell Recherchen des SonntagsBlicks bestätigt. Zum Stand der Untersuchung will er wegen des laufenden Verfahrens keine Angaben machen.
Glarus steht unter Schweizer Recht
Weil die Geiselnahme eine Straftat an Bord eines Schweizer Seeschiffs ist, wird das Flaggenprinzip angewendet. Die Glarus steht damit unter Schweizer Recht, was auf ihr verbrochen wird, gilt als in der Schweiz verübte Tat. Da Basel der Heimathafen aller Schweizer Hochseeschiffe ist, wurden die dortigen Staatsanwälte aktiv.
Die Piraten, die der Rebellengruppe Mend angehören, dürften wegen der Ermittlungen im fernen Alpenland keine schlaflosen Nächte haben. Die Männer, die gegen die nigerianische Regierung und globale Ölfirmen um die Kontrolle des Nigerdeltas kämpfen, beschäftigen sich normalerweise mit Gröberem: Sie stecken Ölterminals in Brand, greifen Ölplattformen an oder zünden Autobomben. Die letzte Entführung dieses Kalibers verübten Piraten Anfang Jahr. 30 Tage verstrichen, bis die Mannschaft des niederländischen Frachters Forest Wave freikam.
Man habe am Montag mit allen Seeleuten sprechen können, sagt Blake Sinclair von MTI Network. Die Londoner Profis für Krisensituationen wurden von der Eigentümerin der Glarus, der Schweizer Reederei Massoel Shipping, angeheuert. Laut Sinclair wird die Mannschaft gemeinsam festgehalten, es gehe ihr den Umständen entsprechend gut.
Die Verhandlungen würden sich allein noch ums Lösegeld drehen, so Regierungsquellen aus Nigeria, die anonym bleiben wollen. Dort rechnet man mit einer baldigen Freilassung. Die Regierungen der entführten Seeleute seien involviert, wie inoffiziell sowohl in Nigeria wie in der Schweiz zu hören ist.
«Das EDA unterstützt die Reederei finanziell nicht»
Wenn Schweizer von einer Entführung betroffen sind, könne das EDA konsularischen Schutz leisten, sagt Tilman Renz, Sprecher des Aussendepartements (EDA). In dem Fall übernehme die Reederei als Arbeitgeberin der Entführten das operative Krisenmanagement.
Bleibt für die Geiseln zu hoffen, dass die Genfer den geforderten Betrag bald auftreiben können. Medienberichten zufolge ist die Reederei angeschlagen. Und vom Bund käme keine Hilfe. Tilman Renz: «Das EDA unterstützt die Reederei Massoel Shipping finanziell nicht.»