Der Transport von Flüchtlingen übers Mittelmeer ist für viele dubiose Hintermänner zum grossen Geschäft geworden. Sie kassieren von den verzweifelten Menschen oft Tausende von Franken für die Überfahrt nach Europa. Um möglichst günstig an Boote zu kommen, bestellen Schlepper ihr Material mittlerweile sogar übers Internet.
Gerade mal 300 Dollar verlangt der Anbieter für eines der meterlangen, aufblasbaren Gummiboote. Bis zu 60 Personen sollen darin Platz haben. Die Ware wird einfach und unkompliziert unter dem Suchbegriff «Refugee Boat» (Flüchtlingsboot) über den chinesischen Online-Händler Alibaba an den Mann gebracht. Auf Wunsch sind auch mehrere hundert Stück im Monat lieferbar.
Wie es in einem von WikiLeaks veröffentlichten Dokument der Europäischen Union (EU) heisst, stiessen die Zollbehörden erst kürzlich auf Malta wieder auf 20 solcher Gummiboote – alle säuberlich abgepackt in einem Container. Adressiert war die Ware an einen Empfänger in der libyschen Hafenstadt Misrata. «Da es keine gesetzliche Grundlage gibt, die solche Lieferungen verbieten würden, wurde der Container samt Ware an seinen Zielort verfrachtet», heisst es im entsprechenden Bericht weiter.
Markanter Anstieg der Lieferungen registriert
Für den Schlauchboot-Boom verantwortlich ist offenbar ein konstanter Engpass bei ausgedienten Fischerbooten. In der Vergangenheit wurden immer wieder Fälle bekannt, bei denen Schlepper Dutzende Flüchtlinge in schrottreifen Holzbooten aufs Meer schickten. Die asiatischen Zulieferer schliessen mit ihrem makaberen Angebot im Internet mit Billig-Produkten nun die Lücke. Neben Malta und Libyen ist auch die Türkei ein beliebter Umschlagplatz für die Ware.
Laut der Zeitung «Malta Today» wurden allein in den letzten vier Jahren auf dem Inselstaat im Mittelmeer über 5'000 ausgelieferte Boote registriert. Das entspricht einem Wert von fast 1,5 Millionen Franken. Seit 2015 wurde jedoch ein markanter Anstieg von Lieferungen aus China festgestellt.
Gemäss der Produktbeschreibung auf der Seite von Alibaba kann zusätzlich zu den Schlauchbooten gegen einen Aufpreis auch Sicherheitsausrüstung wie Rettungswesten bestellt werden. Dass die Schlepper einen Teil ihres Gewinns dafür hergeben, ist jedoch zu bezweifeln. (cat)