BLICK: Im Kanton Aargau überfiel ein Sizilianer einen Tankstellen-Shop und eine Bank. Der Täter ist offenbar in Italien ein bekannter Mafioso. Sagt Ihnen der Name Massimiliano P.* etwas?
Francesco Maragno: Allerdings! Dem Kerl werden nicht nur Raubzüge vorgeworfen, sondern auch Drogendelikte. Er hat gleich zweimal unser Postamt überfallen. Erst im Jahr 2013, dann noch einmal 2014. In beiden Fällen wurden er und sein Komplize geschnappt.
Das klingt, als habe er nicht sonderlich Angst vor den Ordnungshütern. Wie kommt es, dass er nicht weggesperrt wurde?
Unseren Kollegen in der Schweiz mag es kaum nachvollziehbar erscheinen, aber viele Verbrecher in Italien laufen frei herum. Das ist unser Alltag.
Woran liegt das?
Das verdanken wir unserem Rechtsstaatlichkeits-Grundsatz. Danach gilt die Unschuldsvermutung, bis der Richter in der letzten Prozessinstanz das Urteil fällt. Da können zwischen Verhaftung und Haftstrafe auch schon mal zehn Jahre vergehen.
Wurde Massimiliano in den Abruzzen wegen der Raubüberfälle 2013 und 2014 verurteilt?
Meines Wissens hat der Prozess noch nicht einmal begonnen.
Was sagen Ihre Bürger dazu?
Sie fühlen sich ohnmächtig. Besonders weil die Abruzzen selbst kaum Kriminelle haben. Die Verbrecher reisen aus Sizilien, Kalabrien, Kampanien an, um uns auszurauben. Sogar im Ausland, z.B. in Albanien oder Rumänien, gilt Italien mittlerweile als idealer Markt für Verbrechen, weil die Gesetze hier so lasch sind. Wir empfinden die Situation als eine Niederlage des Staates.
Freche Verbrecher wie Massimiliano P. zeigen den Bürgern eine lange Nase. Ärgert sie das nicht besonders?
Der Mann wurde bei der zweiten Verhaftung angeschossen. Danach wurde er in unserem Spital gepflegt. Auf Kosten unserer Steuerzahler. Natürlich ist das ärgerlich.
Zudem sorgt er für Negativ-Schlagzeilen.
Sie schaden unserem Image. Die meisten Italiener sind fleissige, ehrliche Leute, die den Gesetzen folgen. Wir haben so viel zu bieten: Gastfreundschaft, eine wunderschöne Landschaft, gutes Essen, guten Wein, Kunst und Kultur.
Sie selber sind bei der Guardia di Finanza, der italienischen Zoll- und Steuerpolizei. Sie waren sogar Mafia-Jäger in Süditalien. Entmutigt Sie diese Ohnmacht nicht?
Ich bin noch immer stolz auf meine Uniform. Italien investiert Unsummen in die Ordnungshüter und Strafverfolgung. Unsere Polizei ist eine der besten der Welt. Aber die Beamten, die bei der Verbrecherjagd fast täglich ihr Leben riskieren, sind schon frustriert über den Staat, der seit 30 Jahren diese langen Rechtswege zulässt.
Was kann man als Bürgermeister gegen Leute wie Massimiliano P. unternehmen?
Wir haben seit seinem letzten Raubüberfall das Wachpersonal erhöht, Überwachungskameras in der ganzen Stadt installiert. Es patrouillieren mehr Carabinieri. Seit 2014 und dem letzten Raubzug von P. gab es keine Überfälle mehr in Montesilvano.