Oscar D.* (35) wollte schon immer mit den «Frecce Tricolori» – der Kunstflugstaffel der italienischen Luftwaffe – fliegen. Mit viel Fleiss ermöglicht er sich vor einiger Zeit seinen Traum. Doch am vergangenen Samstag wird daraus ein Alptraum.
Ein Jet der «Frecce Tricolori» war am Samstag bei Turin abgestürzt. D. sass im Cockpit. Er habe so lange wie möglich versucht, die Maschine auf Kurs zu halten. «Dann musste ich mit dem Schleudersitz abspringen, weil das Flugzeug abgestürzt ist», sagt der Unglückspilot gegenüber «La Stampa».
Der Pilot konnte sich rechtzeitig retten. Doch am Boden wurde dafür ein anderes Leben ausgelöscht. Vom Flugzeug hatte sich ein glühendes Teil gelöst und ein Auto getroffen. Im Fahrzeug sass unter anderem die fünfjährige Laura O.*. Das Mädchen starb in den Flammen.
Wie «Il Giornale» berichtet, geht das tödliche Unglück D. sehr nahe. Gegenüber seinen Freunden sagte er: «Ich bin zutiefst traurig über das, was passiert ist. Ich denke nur an die kleine Laura.»
«Unsäglicher Schmerz und Trauer»
Kurz nach dem Start der Staffelübung der «Frecce Tricolori» verlor der erfahrene Pilot die Kontrolle über seinen Jet. Er befand sich auf Position «Pony 4», sein Jet war der zweite von links. «Pony 4 informierte den Formationsführer, dass der Motor wegen eines Vogelschlags ausgefallen sei», berichtete Urbano Floreani, Sprecher der italienischen Luftwaffe, gegenüber «Il Giornale».
Floreani erzählt weiter: «Er hat alles versucht, um es wieder in Gang zu bringen. Erst im letzten Moment konnte er verhindern, dass das Flugzeug in die Häuser krachte.» Nach dem Unglück sagt D. nun, er habe das Auto der Familie aus der Luft nicht gesehen.
«Was er fühlt, fühlt die ganze Luftwaffe: Unsäglicher Schmerz und Trauer, wir sind alle erschüttert. Wir alle fühlen mit der Familie des kleinen Mädchens», sagt Floreani.
Flüge mussten umgeleitet werden
Bei seinem Fallschirmabsprung verletzte sich der 35-jährige Pilot leicht. Schlimmer erwischte es die Familie im getroffenen Auto: Lauras Bruder Andrea O.* (12) und ihre Mutter Veronica V.* (41) wurden mit schweren Verbrennungen ins Spital gebracht. Wie die italienische Tageszeitung berichtet, konnte der Vater Paolo O.* (49) das Spital bereits am Sonntag verlassen. Der Körper des kleinen Andrea sei Berichten zufolge dagegen zu 30 Prozent verbrannt.
Der Flughafen von Turin ist am Sonntag nach dem tödlichen Absturz geschlossen geblieben. Wie die Nachrichtenagentur SDA berichtete, mussten mehrere Flüge auf andere norditalienische Flughäfen umgeleitet werden. Die für Sonntag geplante Flugshow der «Frecce Tricolori» anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Luftwaffe fand nicht statt.
Verfahren wegen Totschlag
Bei dem tragischen Unglück handelt es sich nicht um den ersten Unfall der italienischen Kunstflugstaffel «Frecce Tricolori» in diesem Jahr. Im April kam es zu einem schweren Absturz mit einem Leichtflugzeug. In 800 Metern Höhe stürzte der 34-jährige Luftwaffenhauptmann Alessio Ghersi in der Gemeinde Lusevera bei Udine in den Tod.
Auch die italienische Premierministerin Giorgia Meloni zeigte sich schockiert über den tödlichen Vorfall vom Samstag. Sie wünschte den Angehörigen baldige Genesung und sprach ihnen ihr Beileid aus.
Die Staatsanwaltschaft von Ivrea hat ein Verfahren wegen Totschlags eröffnet, wie «Il Giornale» berichtet. Laufende Ermittlungen untersuchen die genaue Unfallursache. Dazu sind technische Gutachten über den Motor und die Instrumente des Flugzeugs erforderlich. Zudem müssen die Daten der Black Box entschlüsselt und die Gespräche des Piloten mit dem Kontrollturm und den anderen Patrouillenkollegen analysiert werden. (gs)
*Name bekannt