Böse Überraschung für Israel: Gestern legte eine Rakete aus dem Gazastreifen 120 Kilometer zurück und schlug in Chadera nördlich von Tel Aviv ein. So weit flog eine Hamas-Rakete bisher noch nie. Offenbar handelt es sich um eine syrische M-302 mit bis 160 Kilometern Reichweite und einem 175-Kilo-Gefechtskopf. Die Hamas sollen davon einige Hundert besitzen.
Die Israelis zittern: Denn nun ist praktisch ihr ganzes Land verwundbar geworden. Bis vor kurzem schossen die Hamas vorwiegend selbst gebastelte Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen hinaus. Diese Waffen werden heute noch teilweise in Wohnungen hergestellt. Inhalt: nichts als explosives Düngemittel.
Doch inzwischen haben die Hamas tüchtig ausgerüstet. Sie verfügen über 10 000 Raketen, die meisten davon sind Kassam-Geschosse. Weit gefährlicher sind die Fadschr-5, was Persisch ist und «Morgenröte» bedeutet. Von diesen Raketen haben die Hamas rund 100 Stück. Eine Fadschr-5 trägt 90 Kilo Sprengstoff bis 75 Kilometer weit – in diesem Radius liegen die Städte Tel Aviv und Jerusalem.
Zum Arsenal der Hamas gehören neu auch Sprengsätze, Panzer- und Luftabwehrraketen. Die massive Aufrüstung verdanken die radikalen Palästinenser dem Arabischen Frühling. «Nach dem Zusammenbruch der Regierungen in Nordafrika wurden ganze Waffenarsenale geplündert und unter anderem in den Gazastreifen geschmuggelt», so Nahost-Experte Erich Gysling (78). Viele Waffen der Hamas stammen daher aus dem Fundus des libyschen Ex-Diktators Gaddafi.
Der israelische Geheimdienst ist überzeugt, dass die M-302 per Schiff – unter Zement versteckt – nach Gaza geschmuggelt worden sind. Weitere Raketen wurden durch Geheimtunnel von Ägypten her unter der Grenze hindurch transportiert. Nachdem die Muslimbrüder in Ägypten ihre Macht wieder verloren haben, ist der Schmuggel auf diesem Weg aber schwieriger: Ägypten hat mehrere Schmugglertunnel zerstört.
Wegen des Konflikts hat Bern gestern die Reisehinweise für Israel angepasst. «Verzichten Sie auf Reisen, die näher als 40 Kilometer an den Gazastreifen heranführen», heisst es beim EDA.