Vier Freunde in einem typisch britischen Pub: Die Bierlaune der jungen Väter stieg, ihr Zorn über die Zustände im Brexit-Land aber auch.
Am Ende des Abends hatte sich das Quartett nicht nur den wunderbar doppeldeutigen Namen «Led by donkeys» (geführt von Eseln) gegeben. Seit knapp zwei Monaten sind auch seine riesigen Werbeflächen im ganzen Land zu sehen.
Ahnungsloser Brexit-Minister
Die ersten Plakate mit den dreistesten Torheiten und Lügen der Brexit-Befürworter finanzierte «Led by donkeys» noch privat. Dann startete eine auf 10'000 Pfund begrenzte Crowdfunding-Kampagne. Als in kürzester Zeit mehr als zehnmal so viel zusammenkam, baten die vier dringend, mit Spenden aufzuhören.
Doch der Geldstrom wollte nicht versiegen. Heute reissen sich die Anbieter öffentlicher Werbeflächen um die listig-entlarvenden Fundstücke des «Led by donkeys»-Teams.
Schon am Gründungsabend ging es um Dominic Raab. Den Brexit-Minister von Theresa May hatte am 7. November der Blitz der Erleuchtung getroffen: Bisher, schrieb er auf Twitter, «hatte ich nicht wirklich begriffen, wie abhängig wir von der Fährverbindung zwischen Dover und Calais sind». Raab trat eine Woche später zurück – doch «Led by donkeys» sorgte dafür, dass seine Ahnungslosigkeit nicht vergessen wird.
Taten werden so öffentlich gemacht
Auch Transportminister Chris Grayling hat die Risiken eines ungeregelten Ausstiegs aus der Europäischen Union erst spät erkannt. Dass er auf einem EU-Portal die Ausschreibung für drei neue Fährverbindungen mit dem Kontinent ausgerechnet an Heiligabend veröffentlichte, habe am Zeitdruck gelegen. Nicht viel schlauer war, parallel dazu mit britischen Reedereien über den 13-Millionen-Pfund-Auftrag zu verhandeln, den erfahrenen Eurotunnel-Konzern dabei zu vergessen und auf das Unternehmen Seaborne Freight zu setzen, das nicht eine einzige Fähre besitzt.
Am vergangenen Freitag einigte sich Grayling mit Eurotunnel auf 33 Millionen Pfund Schadenersatz.
Auch die Glanztat dieses Ministers, der einen Rücktritt selbstverständlich ausschliesst, wurde vom Donkey-Klub landesweit plakatiert.
«Fuck Business!» auf Grossleinwand
Ebenso wie die Sprüche des ehemaligen Aussenministers und Brexit-Fanatikers Boris Johnson. Der hatte sich im britischen Unterhaus noch am 11. Juli 2017 glatt geweigert, einen ungeordneten Austritt aus der EU überhaupt in Erwägung zu ziehen: «Wir werden einen grossartigen Deal bekommen!»
Johnsons Lüge ist nun auf den Esel-Plakaten ebenso klar dokumentiert wie seine Reaktion auf die Warnung der Industrieverbände vor dem Brexit: «Fuck Business!»
Neben vielen weiteren grotesken Zitaten haben die Plakatkleber einen wahrlich denkwürdigen Satz von Premierministerin Theresa May ausgegraben. «In der EU zu bleiben, bedeutet mehr Sicherheit vor Kriminalität und Terrorismus», hatte sie wenige Wochen vor dem Referendum am 26. April 2016 gewarnt.