Am Samstagmorgen um 10.50 Uhr steigt Luca Traini (28) mit einer Pistole bewaffnet in seinen schwarzen Alfa Romeo. Er fährt los und versetzt die italienische Stadt Macerata zwei Stunden lang in Angst und Schrecken. Traini hält mehrmals an und schiesst durchs Fenster seines Autos auf Dunkelhäutige (BLICK berichtete). Sechs Afrikaner, eine Frau und fünf Männer, verletzt er zum Teil schwer. Bei seiner Verhaftung hebt er die Hand zum Faschistengruss und schreit: «Viva Italia!»
Italien wählt am 4. März ein neues Parlament. Nach dem rassistischen Angriff gibt es keine Zweifel mehr, welche Fragen den Rest des Wahlkampfs dominieren werden: Wie soll das wichtigste Ankunftsland für Bootsflüchtlinge mit der Einwanderung und ihren Folgen umgehen – mit Fremdenhass und Rassismus?
Die Mitte-rechts-Koalition hat laut Meinungsumfragen mit rund 37 Prozent die Nase vorn. Ihr gehören neben Silvio Berlusconis (81) konservativer Partei Forza Italia auch die populistische Lega Nord und die nationalistischen Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) an, die mit ausländerfeindlichen Parolen auf Stimmenfang gehen. Sie beschuldigen die regierenden Sozialdemokraten, mit einer zu laschen Einwanderungspolitik während der Flüchtlingskrise versagt zu haben.
Regierungsvertreter wollen Debatte beruhigen
Der Schütze hatte im vergangenen Jahr für die Lega kandidiert, wurde aber nicht gewählt. Nach dem Angriff muss Parteichef Matteo Salvini (44), der schon länger gegen Migranten poltert, heftige Kritik einstecken. «Salvini ist mit seinen rassistischen Wahlslogans der wahre Auftraggeber der Schiesserei in Macerata», sagt etwa der Schriftsteller Roberto Saviano.
Salvini distanziert sich vom Angriff – gibt aber der Regierung und der Demokratischen Partei (PD) von Ex-Premier Matteo Renzi eine Mitschuld: «Jeder, der auf Menschen schiesst, ist ein Krimineller. Aber die moralische Verantwortung für diese Tat tragen jene, die das Land mit illegalen Einwanderern gefüllt haben.» Ex-Ministerpräsident Berlusconi bezeichnet den Angriff als Tat eines geistig gestörten Menschen. Die Schüsse müssen zwar verurteilt werden, hätten aber «keinen klaren politischen Bezug».
Regierungsvertreter versuchen, das hitzige Klima zu beruhigen. Innenminister Marco Minniti ruft die Parteien auf, die Wahlkampftöne zu dämpfen. «Uns steht ein weiterer Monat Wahlkampf bevor. Die Gefahr, dass Hass zu neuer Gewalt führt, ist äusserst gross», sagte er am Sonntag zur Mailänder Zeitung «Corriere della Sera».
Im gleichen Gefängnis wie Pamelas (†18) mutmasslicher Mörder
Der Neonazi Traini ist geständig. Als Begründung für seine Tat sagte er den Ermittlern, er habe die Ermordete Pamela Mastropietro (†18) rächen wollen, deren Körper letzte Woche zerstückelt in zwei Koffern aufgefunden worden war. Der Tatverdächtige ist ein 29-jähriger Nigerianer, er sitzt im selben Gefängnis wie Traini, berichtet die Zeitung «Libero».
Trainis Anwalt erwägt, ein psychiatrisches Gutachten für seinen Mandanten erstellen zu lassen. «Die Tat ist jenseits jeglicher Logik», sagt er zu der Zeitung. «Der Mord an Pamela Mastropietro hat einen totalen Blackout in seinem Kopf ausgelöst.» (rey)