Andreas Lubitz (†27) hatte psychische Probleme und Sehstörungen. Allein in der Uniklinik Düsseldorf war Lubitz zwischen Februar und März diesen Jahres mindestens drei Mal vorstellig geworden. Die «Bild» erfuhr aus Ermittler-Kreisen, wieso er sich kurz vor seiner Tat ärztliche Hilfe suchte.
Verschleierte Wahrheit
So ging es ihm offenbar vor allem darum, sein Augenleiden zu heilen. Ermittler berichten gegenüber der deutschen Zeitung, dass Lubitz bei seinen Ärzten zwar Angaben über seinen Beruf Pilot und in einigen Fällen sogar über seinen Arbeitgeber Germanwings machte - dabei aber gezielt verschleierte, dass er trotz seines Gesundheitszustandes weiter im Cockpit sass.
Bei seinen diversen Arztbesuchen erzähle er nicht immer die ganze Wahrheit. So soll er zum Beispiel einem seiner Ärzte gesagt haben, dass er krankgeschrieben und derzeit ausser Dienst sei, aber gerne wieder arbeiten wolle.
Wie die «Bild» weiter schreibt, geht aus den Dokumenten auch hervor, dass Lubitz Ende 2014 in einen Autounfall verwickelt gewesen sein soll. Laut ihm soll sich der Airbag dabei geöffnet und ihn verletzt haben. Seither klagte er über Knalltrauma und Sehschwäche.
Anti-Depressivum und Lorazepam
Weiter geht aus den medizinischen Unterlagen hervor, dass Lubitz nach eigenen Angaben Medikamente einnahm, die gegen Depression, Angststörungen und Panikattacken verschrieben werden. Laut «Bild» handelt es sich dabei um ein Anti-Depressivum und um das Beruhigungsmittel Lorazepam. Ob er diese starken Medikamente regelmäßig nahm oder wie sie bei ihm wirkten, ist Bestandteil der Ermittlungen.
Am Montag hatte der Düsseldorfer Staatsanwalt mitgeteilt, dass Lubitz vor seiner Karriere als Pilot «über einen längeren Zeitraum mit vermerkter Suizidalität in psychotherapeutischer Behandlung» war. In seiner Wohnung waren Krankmeldungen gefunden worden. Eine galt für den Tag, an dem er die unfassbare Tat beging.
«Lorazepam ist ein starkes Beruhigungs- und Schlafmittel», so eine Pharmakologin zu «Bild». «Ob man damit Auto fahren oder gar ein Flugzeug fliegen sollte, muss ein Arzt genau kontrollieren.» Das Medikament kann die Verkehrstüchtigkeit beeinflussen. Ausserdem müssen Ärzte beim Verschreiben darauf hinweisen, dass sich das Selbstmord-Risiko (vor allem zu Beginn einer Behandlung) steigern kann.
Drohen der Lufthansa nun Millionen-Klagen?
Die Lufthansa wusste bereits 2009 von einer psychischen Erkrankung des damaligen Flugschülers und späteren Co-Piloten Andreas Lubitz. Der erfahrene Opfer-Anwalt Elmar Giemulla sieht aufgrund dieser Tatsache ein offensichtlich deutliches Verschulden der Airline.
«Wenn ein junger Mann, der ja noch 30 Jahre Berufsleben vor sich hat, Depressionen hatte, und dann geheilt ist, ist das wirklich eine Heilung? Können diese Depressionen nicht wieder ausbrechen?», sagt der Luftfahrtrechts-Experte Reuters TV in Berlin. «Da kann ich nur hoffen für die Hinterblieben, dass die Lufthansa das begreift, was hier passiert ist, was sie angerichtet hat, was angerichtet worden ist durch diesen Unfall und das, was jetzt sukzessive ans Tageslicht kommt an möglichen Versäumnissen, dass sie das begreift und genau diese Frage auch mit den Hinterbliebenen erörtert, jenseits der eigentlichen Rechtsverpflichtungen sich zur Begleichung eines emotionalen Schadens bereit findet.»
Das deutsche Recht sieht bei Entschädigungen allerdings kein moralisches Verschulden vor. «In Amerika würden mindestens eine Million Dollar gezahlt werden, mindestens, neben anderen Dingen natürlich, die ohnehin beglichen werden müssen, in Europa geht es so um die 100'000. Irgendwo in diesem Spannungsverhältnis wird man sich einigen müssen.» (gru)