In seiner nun öffentlich gewordenen Rede vor Unternehmern in Hamburg hatte er unter anderem von «Schlitzaugen» sowie von «Pflicht- Homoehe» gesprochen.
Oettinger erntete wiederholtes Gelächter seiner Zuhörer, wie ein im Internet veröffentlichtes Video mit Redeauszügen zeigt. Der Lesben- und Schwulenverband forderte eine Entschuldigung. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sowie der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck stellten seine Eignung als EU-Kommissar in Frage.
Der CDU-Politiker Oettinger verteidigte sich daraufhin gegen den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit. Dass er in seiner umstrittenen Rede das Wort «Schlitzauge» verwendet habe, sei nicht anstössig gemeint gewesen. «Das war eine etwas saloppe Äusserung, die in keinster Weise respektlos gegenüber China gemeint war», sagte er der «Welt» (Online: Samstag).
Oettinger hatte seine Rede in Hamburg vor Unternehmern gehalten. «Ich wollte im digitalen Sektor, generell bei technologisch geprägten Sektoren aufzeigen, wie dynamisch die Welt ist. Und welche Herausforderung das enorme Tempo der Aufholjagd von Ländern wie China und Südkorea für uns darstellt. Und ich wollte in diesem Zusammenhang vor Selbstzufriedenheit warnen.»
Der EU-Kommissar fügte hinzu: «Die Chinesen sind einfach clever.» Wenn sie einen Technologievorsprung Europas nicht selbst aufholen könnten, dann kauften sie entsprechende Firmen. «Europäische Unternehmen stehen da umgekehrt in China vor grösseren Hürden.»
Eine chinesische Regierungsdelegation auf Brüssel-Besuch hatte er bei der Rede mit den Worten beschrieben: «Alle Anzug, Einreiher, dunkelblau. Alle Haare von links nach rechts, mit schwarzer Schuhcreme gekämmt.»
Auch die Home-Ehe habe er nicht als solche angreifen wollen. «Ich habe die Homo-Ehe in einer Liste von Themen, Initiativen und Debatten genannt, die in Deutschland die politische Tagesordnung bestimmen», erläuterte er. «Mir geht es darum, diese Liste an Themen zu ergänzen - insbesondere um das Thema Wettbewerbsfähigkeit.»
Er sei auch nicht gegen eine Frauenquote, erklärte Oettinger gegenüber der «Welt»: «Die Quote ist ein wichtiges Instrument, um eine angemessene Mindestbeteiligung von Frauen in Spitzengremien zu erreichen.» Seine Rede sei nicht anstössig gemeint gewesen.
Oettinger verärgerte mit abfälligen Äusserungen auch Politiker in Belgien. Anlass sind Bemerkungen über die südbelgische Region Wallonie, deren Verhandlungen mit der Föderalregierung die Unterzeichnung des europäisch-kanadischen Handelspakets Ceta verzögert hatten.
Oettinger sagte nach Angaben eines Anwesenden, die Region werde von «Kommunisten» geführt, die ganz Europa blockierten, was nicht akzeptabel sei.
Frederic Masquelin, der Sprecher des wallonische Regierungschefs Paul Magnette, sagte der Agentur Belga: «Wenn alles, was berichtet wird, sich als wahr herausstellt, handelt es sich um skandalöse Äusserungen, die von völliger Verachtung zeugen für unsere Region, ihre gewählten Vertreter, ihre Bürger und die Zivilgesellschaft, die sich mobilisiert hat.» Er hoffe, dass die EU-Kommission das nicht durchgehen lasse.
Auch in Deutschland kam Oettinger nicht gut an. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck zeigte sich schockiert: «Ein Wahnwichtel fürchtet sich vor der homosexuellen Zwangsverheiratung: Der homophobe Spruch von der drohenden Pflicht-Homoehe zeugt davon, dass der Herr Kommissar die letzten Jahrzehnte verschlafen hat.»
Die Sprecherin des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), Stefanie Schmidt, sprach von unfassbaren «Alt-Herren-Witzen» Oettingers. «Ein EU-Kommissar muss glaubhaft die europäischen Werte von Nichtdiskriminierung vertreten können, anstatt rassistischen und homophoben Vorurteilen das Wort zu reden.»
Wenn Oettinger sich nicht schleunigst entschuldige, disqualifiziere er sich für sein Amt. Erst am Freitag hatte die EU-Kommission mitgeteilt, dass Oettinger mit dem Abgang einer EU-Kommissarin die Zuständigkeit für Haushalt und Budget übernehmen solle. Bisher war er Kommissar für Digitalwirtschaft.