«Es dauert Monate, bis Ukraine Panzer einsetzten könnte»
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Waffenexperte erklärt:«Es dauert Monate, bis Ukraine Panzer einsetzten könnte»

Liefern oder nicht?
Darum ist die Panzer-Frage für die Deutschen so schwierig

Es gebe gute Gründe für eine Lieferung vom Leopard-2-Panzern an die Ukraine, es gebe aber auch gute Gründe dagegen, sagt der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius. Eine Übersicht.
Publiziert: 24.01.2023 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2023 um 20:46 Uhr
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Polen verfügt über Leopard-2-Panzer. Die Regierung möchte sie der Ukraine zur Verfügung stellen. Doch da Deutschland das Herstellerland ist, bedarf es für die Lieferung eine Genehmigung des deutschen Kanzlers.
Foto: keystone-sda.ch
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Polen verfügt über Leopard-2-Panzer. Die Regierung möchte sie der Ukraine zur Verfügung stellen. Doch da Deutschland das Herstellerland ist, bedarf es für die Lieferung eine Genehmigung des deutschen Kanzlers.
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Myrte MüllerAussenreporterin News

Der Druck wächst. Deutschland soll Kampfpanzer des Typs Leopard 2 an die Ukraine liefern. Das fordert nicht nur der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) mit Vehemenz. Lettland, Estland und Litauen appellieren an den deutschen Kanzler Olaf Scholz (64). Polen will gar seine Leopard 2 an die ukrainische Ostfront schicken, hat nun offiziell das Herstellerland Deutschland um die Genehmigung gebeten. Grossbritannien sichert Selenski 14 der eigenen Challenger-2-Kampfpanzer zu und erwartet, dass Deutschland dem Beispiel folgt.

Diese deutschen Superpanzer erwartet die Ukraine
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Leopard-2 Kampfpanzer:Diese deutschen Superpanzer erwartet die Ukraine

Selbst in der Ampel-Koalition rumort es. Politiker aus der FDP und von den Grünen wollen die Ukraine mit schweren Waffen unterstützen. Die grüne Bundesaussenministerin preschte vor. Einer Lieferung aus Drittstaaten würde sie nicht im Wege stehen, erklärte Annalena Baerbock (42) im Interview eines französischen TV-Senders am Sonntagabend. Doch der deutsche Kanzler zögert.

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Warum drängt die Ukraine auf die Panzer-Lieferung?

Seit Monaten wird im Osten des Landes ein zermürbender Stellungskrieg geführt, mit hohen Verlusten auf beiden Seiten. Die Russen vermelden in den vergangenen Wochen und Tage leichte Landgewinne. Zudem fürchten die Ukrainer fürs kommende Frühjahr eine russische Grossoffensive.

Der Leopard 2 ist dem russischen Panzer überlegen. Seine 120 Millimeter Glattrohrkanone verschiesst Wuchtgeschosse. Der Kampfpanzer ist mit 72 km/h Höchstgeschwindigkeit sehr schnell. Er hat einen 1500 PS starken Motor, ist für die Grösse extrem wendig und kann sogar durch Wasser fahren. Zudem verbraucht er Diesel, einen Kraftstoff, den die Ukraine im Überfluss hat. Der Leopard 2 wäre sehr geeignet, die russischen Fronten zu durchbrechen.

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Was spricht gegen einen Einsatz des Leopard 2?

Der Kampfpanzer wiegt bis zu 62 Tonnen. Er ist zu schwer für viele Brücken, Strassen und Eisenbahnanlagen in der Ukraine, die für Maximallasten von 40 Tonnen gebaut wurden. Er eignet sich für Kampfhandlungen auf trockenem Boden. Bei Regen versinken die schmalen Ketten schnell im Schlamm und der Panzer droht steckenzubleiben.

Der Leopard 2 wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder modernisiert. Wie Schützenpanzer und Panzerhaubitzen gilt auch der Kampfpanzer als komplexes Waffensystem. Es braucht Fachkenntnisse und Erfahrung, um ihn zu lenken, ihn zu warten sowie ihn im Verbund einzusetzen. Die Ausbildung dauert mehrere Monate. Ausserdem muss die Logistik gesichert sein für Munitionsnachschub und Ersatzteile.

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Warum scheut Scholz die Panzer-Lieferung?

Der deutsche Kanzler hat bislang bei jeder Diskussion über Lieferung von schweren Waffen betont: kein Alleingang ohne die Bündnispartner! Deutschland und die Nato dürften auf keinen Fall Kriegspartei werden. Die Lieferung von Kampfpanzern würde zu einer weiteren Eskalation des Krieges führen. Und genau davor hat Kanzler Scholz Angst. Immer wieder hat er auch auf die historische Verantwortung seines Landes hingewiesen, das zwei Weltkriege begonnen habe.

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Deutschland knüpft die Lieferung des Leopard 2 an die Zusage der USA, ihre Abrams-Kampfpanzer der Ukraine zur Verfügung stellen. Warum diese Bedingung?

Mit der «Amerika First»-Bedingung stiehlt sich Deutschland aus der Verantwortung und muss keine Führungsrolle im Ukraine-Konflikt übernehmen. Doch es gibt auch handfeste wirtschaftliche Gründe. Der Leopard 2 kostet 15 Millionen Euro. Er zählt zu den Flaggschiffen der deutschen Rüstungsindustrie. «Wenn Leopard-Kampfpanzer aus Deutschland und Drittländern an die Ukraine gehen, dann entsteht in Europa ein Vakuum an Panzerfahrzeugen. Die Deutschen können nicht schnell neue Panzer anbieten, aber die amerikanischen Abrams wären lieferbar», erklärt der deutsche Waffen- und Rüstungsexperte Lars Winkelsdorf (46). Eine Amerikanisierung des europäischen Marktes würden deutschen Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall und Krauss-Maffei massive Nachteile bringen.

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Welche Waffen hat die Ukraine bereits von Deutschland erhalten?

Deutschland zaudert zwar mit der Lieferung von Leopard-Panzern, abgesehen davon zählt das Land mit 3,3 Milliarden Euro zu den grössten Unterstützern der ukrainischen Armee. So erhielt die Ukraine schon zu Beginn des Krieges Panzerabwehrwaffen, Flugabwehrraketen, Maschinengewehre, Munition, Fahrzeuge und andere militärische Güter. Später folgten Flugabwehrpanzer des Typs Gepard, Panzerhaubitzen 2000, Mehrfachraketenwerfer Mars II, Brückenlegepanzer des Typs Biber und Büffel-Bergepanzern.

Anfang Januar versprach die Bundesregierung zudem eine Patriot-Flugabwehrraketenbatterie und 40 Marder-Schützenpanzer. Bis Februar sollen laut Verteidigungsminister Boris Pistorius (62) sieben Flak-Panzer des Typs Gepard hinzukommen. Bis zum Frühjahr folgen noch Iris-T-SLM-Lenkflugkörper und ein gesamtes Iris-T-SLM-Luftverteidigungssystem.

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