Inoffiziellen Ergebnissen zufolge konnten auch andere Gegner der einflussreichen schiitischen Hisbollah zulegen.
Der Block um die eng mit dem Iran verbündete «Partei Gottes» büsste am Sonntag hingegen einige Mandate ein und könnte die Parlamentsmehrheit verlieren.
Den Berichten zufolge kamen die Regierungsgegner auf bis zu zehn Mandate im Abgeordnetenhaus, das insgesamt 128 Sitze zählt. Die Protestbewegung geht auf die Massendemonstrationen zurück, die im Herbst 2019 gegen die politische Führung des Mittelmeerlandes ausgebrochen waren. Ihre Vertreter und andere Oppositionelle wollen das Machtmonopol der Parteien brechen, die im Libanon seit Jahrzehnten herrschen.
Zulegen konnte demnach auch die Partei des ehemaligen christlichen Milizenkommandeurs Samir Geagea, einem der schärfsten Hisbollah-Kritiker. Sie stellt nun mit rund 20 Sitzen die stärkste christliche Kraft in dem multikonfessionellen Land.
«Die ersten Ergebnisse haben positive Überraschungen für die Opposition gebracht», sagte Maha Yahya, Leiterin des Carnegie Middle East Center in Beirut. Einige traditionelle Anführer hätten ihre Sitze verloren. «Das ist womöglich der Beginn einer Veränderung.»
In vielen Wahlbezirken lief die Auszählung jedoch noch. Offizielle Ergebnisse werden frühestens am Nachmittag erwartet. Nach Angaben des Innenministeriums sank die Wahlbeteiligung auf etwa 41 Prozent.
Der Libanon leidet seit mehr als zwei Jahren unter der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Nach UN-Angaben leben rund drei Viertel der Menschen des Landes mittlerweile unter der Armutsgrenze. Im Alltag kämpfen sie mit Mangelversorgung. Die libanesische Währung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Die Regierung kann ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen.
Die Massenproteste zogen 2019 Zehntausende Menschen auf die Strasse. Die Demonstrationen richteten sich unter anderem gegen die weit verbreitete Korruption. Viele Menschen machen die seit Jahrzehnten regierenden etablierten Parteien für die schwere Krise des Landes verantwortlich. Kritiker sprechen von einer «Regierungsmafia», die sich allein selbst bereichere. Potenzielle ausländische Geldgeber wie der Internationale Währungsfonds (IWF) fordern im Gegenzug für Finanzhilfe Reformen. Diese sind allerdings bislang ausgeblieben.
Das politische System des Libanon ist bestimmt durch ein fragiles Gleichgewicht zwischen den Konfessionen. Das Staatsoberhaupt ist immer ein Christ, der Regierungschef ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Die schiitische Hisbollah geniesst mit ihrer eigenen Miliz besonderen Einfluss und kontrolliert ganze Gebiete, unter anderem an der Grenze zu ihrem Erzfeind Israel.
Es war die erste Parlamentswahl seit der Explosionskatastrophe im Hafen der Hauptstadt Beirut im August 2020. Damals kamen mehr als 190 Menschen ums Leben, etwa 6000 wurden verletzt. Die Detonation verwüstete grosse Teile des Hafens und umliegender Wohngebiete.
(SDA)