Das grosse Rätselraten um Kim Jong Uns Gesundheitszustand geht weiter. Wie es dem vor zwei Wochen aus der Öffentlichkeit verschwundenen Machthaber wirklich geht, weiss wohl nur die nordkoreanische Führungsriege – und Südkorea.
Führende südkoreanische Beamte jedenfalls wollen den Standort von Kim Jong Un kennen. «Die Regierung ist sich des Aufenthaltsorts von Kim Jong Un bewusst», sagte Wiedervereinigungsminister Kim Yeon-chul (56) nach Berichten von «Bloomberg» bei einer Parlamentssitzung am Dienstag. Näher ging er darauf allerdings nicht ein.
Von einer Herzoperation will Südkorea nichts wissen. Das sei eine «falsche Nachricht», liess Yeon-chul verlauten. So hatte sich auch US-Präsident Donald Trump (73) bereits geäussert. Das Hyangsan-Krankenhaus nördlich von Pjöngjang, wo Kim Jong Un nach Berichten der für gewöhnlich gut informierten Plattform «Daily NK» operiert wurde, habe gar nicht die Kapazität, komplexe medizinische Operationen durchzuführen, sagte Yeon-chul. Dem widersprach die hauptsächlich von nordkoreanischen Flüchtlingen betriebene «Daily NK»: Das Krankenhaus verfüge laut einer Quelle aus Nordkorea sehr wohl über Hightech-Ausrüstung.
Kim hörte nicht auf seine Frau
Es gibt aber einige Hinweise, die auf eine schwere Erkrankung von Kim Jong Un hindeuten – und dass sich dieser nicht einfach nur vor dem Coronavirus abschottet. Der Oberste Führer pflegt einen extrem ungesunden Lebensstil, der Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt. Der etwa 36-Jährige (so genau weiss man sein Alter nicht) isst gern viel und ungesund, gilt als fettleibig. Sein Body Mass Index (BMI) soll bei etwa 45 bis 47 liegen. Jong Un ist ausserdem starker Raucher. Inständig soll Jong Uns Frau Ri Sol Ju (30) ihn schon gebeten haben, damit aufzuhören. «Aber er hört nicht auf mich», klagte sie laut Medienberichten gegenüber südkoreanischen Beamten.
Hätte Kim das mal besser getan! Denn nur schon mit seinen Grunderkrankungen – erhöhtes Cholesterin, Bluthochdruck und Diabetes – liegen Jong Uns Risikowerte für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung laut dem Fachblog «38North» bei etwa 30 bis 33 Prozent. Mit Medikamenten und einer Diät liesse sich das Risiko auf weniger als 20 Prozent senken. Hört er mit dem Rauchen auf, läge das Risiko sogar bei nur noch drei bis vier Prozent.
Kims Familie ist der grösste Risikofaktor
Und dann wäre da noch Kims Familiengeschichte. Und die ist der grösste Risikofaktor für den nordkoreanischen Diktator: Bei etwa 40 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen vererbbare Faktoren eine Rolle. Jong Un ist aufgrund seiner Familie stark vorbelastet. Sowohl sein Grossvater Kim Il Sung (1912–1994) als auch sein Vater Kim Jong Il (1941–2011) starben am plötzlichen Herztod. Jong Uns Vater erlitt im August 2008 – drei Jahre vor seinem Tod im Dezember 2011 – zudem einen verheerenden Schlaganfall.
Angesichts der vielen Risikofaktoren für Herzerkrankungen wäre es nicht überraschend, wenn bei Kim ein «kardiales Ereignis» wie Brustschmerzen oder gar ein Herzinfarkt aufgetreten wäre, der eine intensive Pflege und möglicherweise das Einsetzen eines Stents nötig macht, um die Herzdurchblutung zu fördern. Wegen Kims besonderen Status könnte es sein, dass er länger im Spital betreut wird.
Auf die Frage, ob Südkorea US-Präsident Donald Trump über den Aufenthaltsort und den Zustand von Kim Jong Un informiert habe, sagte Aussenminister Kang Kyung-wha, der US-Präsident stehe in ständigem Kontakt mit südkoreanischen Beamten und «habe benachrichtigt werden müssen». Später stellte sie klar, dass Trump von Kim Jong Uns Zustand, aber nicht von seinem Aufenthaltsort wisse. Der US-Präsident hatte einige Stunden zuvor gesagt, er wisse über den Gesundheitszustand von Kim Jong Un Bescheid – dass aber «niemand wisse, wo er sei».