Wollte Viviana P.* (†43) sterben? Hat sie vor ihrem Suizid, das eigene Kind getötet, es irgendwo begraben? Stand die blonde Frau unter Schock nach dem Crash im Autobahn-Tunnel und ist sie in der Wildnis gestürzt? Haben Wildschweine die Verletzte dann tödlich verletzt und ihren Sohn getötet? Oder wurden Mutter und Kind Opfer eines Mörders?
Fragen über Fragen. Eine Antwort jedoch scheint fern. Noch. Selten erlebt die sizilianische Hafenstadt Messina einen derart mysteriösen Vermisstenfall. Bereits 500 Hektar des unwegsamen Gebiets von Caronia (I) jenseits der A20 haben Suchtrupps der Polizei, der Feuerwehr und des Forstamts durchkämmt. Mit Helikopter. Mit Drohnen. Mit Spürhunden. Es wurden Schneisen geschlagen, Taucher im Fluss eingesetzt. Bislang vergebens. Gioele (4) scheint wie vom Erdboden verschluckt.
Viviana will schnell Schuhe kaufen gehen für Sohn Gioele
Alles beginnt am Montagmorgen, des 3. August. Viviana P. will im Nachbarort Schuhe für den Sohn kaufen. Das zumindest sagt sie ihrem Ehemann Daniele. Doch die gebürtige Piemonteserin kommt nie in Milazzo an. Statt Shoppen zu gehen, gibt die DJ Gas. Gut 100 Kilometer fährt Viviana P. in Richtung Palermo. Einmal verlässt sie die Autobahn, macht 22 Minuten Pause. Dann setzt sie ihre Irrfahrt fort. Im Tunnel Pizzo Turda streift sie einen Lieferwagen.
Sie lässt ihren Opel Corsa stehen, läuft aus dem Tunnel, überquert zu Fuss die Fahrbahn, steigt über die Leitplanke und bewegt sich in Richtung Wald. Einige Zeugen wollen gesehen haben, wie sie ihren Sohn auf den Armen trug. Andere sagen aus, die Frau sei allein gewesen.
Tasche mit Handy blieb im Auto
Viviana und Gioele verschwinden an diesem Montagvormittag. Gegen 11 Uhr wird das verwaiste Auto gefunden. Im Inneren liegt Vivianas Tasche mit Handy und Portemonnaie. Mutter und Kind werden als vermisst gemeldet. Erst vier Tage nach dem Crash entdeckt ein Suchtrupp die Leiche der Italienerin – etwa einen Kilometer Luftlinie von der A20 entfernt.
Der Körper ist mittlerweile unkenntlich. Ehemann Daniele kann seine Frau anhand des Eheringes identifizieren. An der Kleidung könnten Brandspuren sein, berichten italienischen Medien. Möglicherweise kletterte Viviana auf einen Strommast und wurde vom Schlag getroffen. Doch Gioele fehlt. Nichts weist darauf hin, dass das Kind am Fundort der Leiche war.
Vater Luigino glaubt nicht an Suizid, sondern an Mord
Erste Vermutungen keimen auf. Viviana könnte Selbstmord begangen haben. Den Sohn könnte sie entweder in diesen mysteriösen 22 Minuten jemanden übergeben haben. Oder sie hat das Kind vorher getötet und irgendwo in der Wildnis von Caronia begraben. Für einen Suizid sprechen auch Facebook-Posts der letzten Tage, in denen sie von ihren Lebenskrisen berichtet. Viviana erzählt, dass sie sich wie in einem Bunker oder in einem gläsernen Sarg gefühlt hätte.
Vater Luigino P. wehrt sich gegen diese These. Seine Tochter Viviana habe ihren Sohn über alles geliebt. Nie hätte sie dem Kleinen etwas antun können. «Viviana und Gioele sind ermordet worden», sagt der pensionierte Busfahrer aus Turin den Ermittlern. Wie Viviana tatsächlich ums Leben kam, das wird erst die Autopsie ergeben. Sie ist für morgen geplant. Eines jedoch scheint sicher: Die junge Frau starb wohl noch am gleichen Tag ihres Verschwindens.
Fieberhaft geht nun die Suche nach dem Kind weiter. Die Polizei ruft Zeugen auf. Alle hoffen, dass Gioele noch lebt und vielleicht bei irgendjemandem abgegeben wurde.
*Name bekannt