Flüchtlinge sitzen in der Notunterkunft und telefonieren mit dem Smartphone. Solche Bilder irritieren und geben Anlass zu teils heftigen Kommentaren auf Social Media. Viele fragen sich, wie sich Flüchtlinge die teuren Gerät leisten können. Recherchen der Süddeutschen Zeitung und vom Standard geben einige einleuchtende Antworten auf diese Frage.
Günstige Geräte
Wichtigster Fakt: Die meisten Flüchtlinge besitzen bereits vor ihrer Ankunft in Europa ein Smartphone. Vor einigen Jahren brach im Nahen Osten und in Afrika ein regelrechter Handy-Boom aus. Grosse Telekom-Konzerne witterten ein Milliardengeschäft und investierten kräftig in die Infrastruktur. In Syrien gab es schon 2009 rund 11.7 Millionen Smartphones auf 20 Millionen Einwohner.
Weil sich viele Leute aber die teuren Geräte nicht leisten konnten, entwickelten Hersteller wie HTC, Samsung oder LG spezielle Smartphones, die zwar optisch gleich aussehen wie die teuren Originale, technisch jedoch weit weniger leistungsfähig sind. Oft ist zum Beispiel die Kamera schlechter. Diese Geräte kosten deutlich weniger und sind so für die Menschen erschwinglich. Weit verbreitet sind auch gebrauchte Geräte aus den USA.
Der Alleskönner ist unverzichtbar
Schnell wurde das Smartphone für viele unverzichtbar. Es ist Internet, Telefon, Bankverbindung, Fernseher, Übersetzer und Computer in einem. Während wir Europäer neben dem Smartphone noch ein Tablet, einen Fernseher, ein Laptop und einen PC besitzen, ist das Smartphone für die Flüchtlinge das einzige Endgerät.
Steht eine Internetverbindung zur Verfügung, können die Flüchtlinge zudem via WhatsApp oder Skype kostenlos mit den Angehörigen in der Heimat Kontakt halten. Dies wäre mit einem herkömmlichen Handy nicht möglich. Das Smartphone hat somit einen ungleich höheren Stellenwert - oft höher als ein Dach über dem Kopf.
Elektronischer Lebensretter
Nicht zuletzt wurde das Smartphone mit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings für Tausende zum Lebensretter. Das Fernsehen war zensiert, das Festnetz wurde abgehört, es blieb einzig die sichere Mobilverbindung, um sich auszutauschen. Mit der Kamerafunktion der Handys erreichten Bilder von Menschenrechtsverletzungen und Gewalttaten unseren Kontinent, die Opfer bekamen plötzlich ein Gesicht. (tom)