Lauschangriff auf Frankreich
Paris bestellt US-Botschafterin ein

Von Wikileaks neu veröffentlichte Dokumente zeigen: Die USA hat Frankreich jahrelang systematisch abgehört. Auch der aktuelle Präsident François Hollande ist betroffen – und alles andere als erfreut.
Publiziert: 23.06.2015 um 22:39 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 03:42 Uhr
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Angela Merkel und François Hollande feiern 2012 50 Jahre deutsch-französische Freundschaft.
Foto: Keystone

Dass die USA das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört hatte, sorgte in Deutschland für grosse Empörung. Nun wird bekannt: Auch auf ihren Amtskollegen François Hollande, Präsident Frankreichs, hatte es der US-Geheimdienst NSA abgesehen.

Das zeigen Dokumente, die heute von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht wurden.

Demnach bespitzelte die NSA die französischen Staatschefs seit Jahren systematisch – und längst nicht nur sie. Präsidenten, Minister, Staatssekretäre, der französische Botschafter in den USA: Keiner war zu unbedeutend.

Telefonnummern von Spitzenpolitikern

Laut der Medienmitteilung von Wikileaks geht die Bespitzelung zurück bis zur Präsidentschaftszeit Jacques Chiracs (1995 bis 2007). Unter den Dokumenten befinden sich unter anderem Listen mit Telefon- und Handynummern französischer Spitzenpolitiker oder auch Notizen zu vertraulichen Gesprächen Hollandes mit Premier Jean-Marc Ayrault.

Bei den als streng geheim eingestuften Dokumenten handelt es sich unter anderem um fünf Berichte des US-Geheimdienstes NSA, die auf abgefangener Kommunikation basierten.

Der Lauschangriff dauerte mindestens von 2006 bis 2012. Das neueste Dokumente stammt den Berichten zufolge vom 22. Mai 2012, wenige Tage nach der Amtsübernahme Hollandes.

Darin geht es um geheime Treffen zu einem möglichen Austritts Griechenlands aus der Eurozone. In einem anderen Dokument werden verschiedene Telefonnummern aufgelistet, darunter die Nummern von Präsidenten, ihren engsten Beratern und verschiedenen Ministern.

Frankreichs Regierung schweigt noch

Hollandes Umfeld wollte gestern Abend keine Stellungnahme nehmen. Heute Morgen zog er sich zur Beratung zurück und lässt jetzt verlauten: Frankreich werde die US-Spionage «nicht tolerieren». Das sagt Hollande in einem Statement, das vom Élysée-Palast auf Twitter veröffentlicht wurde.

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Zudem hat die Regierung in Paris  die US-Botschafterin einbestellt. Aussenminister Laurent Fabius wolle mit US-Botschafterin Jane Hartley sprechen.

Dies verlautete aus diplomatischen Kreisen in Paris. Die Einbestellung der Botschafterin - ein zwischen befreundeten Staaten ungewöhnlicher Schritt - erfolgte nach einer Sondersitzung des französischen Verteidigungskabinetts.

Gespräch wiedergegeben

Die französische Zeitung «Libération», der deutsche TV-Sender NDR und die «Süddeutsche Zeitung» konnten die Wikileaks-Dokumente vorab einsehen.

Sie berichten, dass eine NSA-Notiz vom Mai 2012 ein Gespräch zwischen Hollande und dem damaligen Ministerpräsidenten Jean-Marc Ayrault widergegeben.

Die beiden unterhielten sich demnach über ein geplantes Treffen mit der SPD-Spitze in Paris, um über die Euro-Krise und einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung sprechen. Hollande habe sich zudem über ein Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel in der Vorwoche beschwert. Es sei nichts Substanzielles erreicht worden und «reine Show» gewesen.

Begehrte Selektoren

Die in den NSA-Dokumenten aufgelisteten Telefonnummern sind laut NDR und «Süddeutscher Zeitung» offenbar Teil der sogenannten Selektoren, anhand derer die NSA weltweite Datenströme durchsucht.

Auch der der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) hat für seine Abhörstation in Bad Aibling Selektoren von der NSA geliefert bekommen. Ob die nun von Wikileaks veröffentlichten Selektoren auch in Bad Aibling eingesetzt wurden, ist demnach aber unklar.

Eine Liste mit diesen Selektoren liegt derzeit unter Verschluss im Berliner Kanzleramt. In Deutschland streiten sich derzeit Regierung und Opposition darüber, wer sie einsehen darf. (lha/alp/kab/SDA)

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