Stephan B. (27) hatte eigentlich einen grausigen Plan: So viele Juden und Muslime wie möglich töten. Das beschrieb er in seinem wirren Manifest, das er zuvor ins Internet lud. Sein Plan scheiterte kläglich an seiner Fahrigkeit. Dennoch schaffte er es, zwei Menschen zu töten.
In seinem Manifest schreibt er, dass es «keinen Weg zurück» gebe, wenn er es hochgeladen habe. Danach gelte es, so viele Juden wie möglich zu töten, eine Synagoge niederzubrennen. Er habe das Ziel ausgewählt, weil es am nächsten sei und sich am meisten Juden dort befinden würden.
Der Attentäter hat mit sich selbst zu kämpfen
Dann beginnt sein vermeintlich grosser Tag. B. filmt sich, wie er in einem Auto sitzt. Doch er kämpft mit der Technik, sagt, «Ah, das ist doch falsch, meine Fresse», will sein Attentat auf der Plattform «Twitch» livestreamen. Schliesslich klappt es, er schaut in die Kamera und rattert mit hoher Fistelstimme ein offenbar auswendig gelerntes Sätzchen mit viel Hass auf Feminismus, Juden und Migranten runter. Danach beginnt er sein Attentat, kämpft aber vor allem mit sich selbst.
Offenbar kommt der Täter nicht mit seinen Waffen zurecht. «Was’n falsch? Meine Fresse, Mann, lad! Ach, Scheisse. Nehmen wirs Nächste. Na doch, nice, schön. Done. Good, there we go.» Sein Auto ist gefüllt mit Taschen, Eimern, Kisten, mit selbst gebastelten Sprengsätzen.
«Ich komm hier nicht rein»
Kurze Zeit nach Beginn seines Attentats schiesst er einer Frau von hinten in den Rücken, offenbar wahllos. Nach dem Mord beginnt er zu keuchen, als wäre er gerannt. Der entscheidende Moment seines Attentats ist der Moment, als er vor der verschlossenen Türe der Synagoge steht.
Drei Mal schiesst er gegen die Türe, die hält seinem Angriff stand. Ein riesiges Glück: Im Innern feierte die jüdische Gemeinschaft Jom Kippur, den höchsten Feiertag der Juden. Stephan B. flucht. «Fuck. Verkackt. Scheiss druff. Ich komm hier nicht rein.»
Immer wieder flucht er, keucht laut – und zerschiesst an seinem Auto einen Reifen. Da sein Plan, die Synagoge zu stürmen, nicht aufgeht, verliert er die Fassung. Aggressiv zielt er auf einen Autofahrer, der anhält, schreit «Wie bitte?».
Alles geht schief
Für Stephan B. geht zum Glück fast alles schief, was schief gehen kann. Fahrig lässt er Patronen fallen, er findet in seinem Chaos im Auto eine Granate nicht, sein Gewehr hat Ladehemmung, er kann den Griff des Gewehrs nicht montieren. Er wird immer konfuser, die Scheibenwischer seines Autos sind an, obwohl es nicht regnet.
Er fährt ein paar Meter weiter, zu einem Döner-Laden, schiesst wahllos auf Passanten und Gäste des Ladens. Endlich, nach bangen Minuten, ist die Polizei da. Er schiesst ein paar Mal auf die Beamten, fährt schliesslich davon – auf einer Felge, da sein Reifen kaputt ist.
Schliesslich wird er verhaftet – verletzt, aber lebend. Dass alles nicht so verlief, wie er sich das vorstellte, wird auch ihm klar, wie er während des Videos sagt. «I killed some, I tried to kill some. Ach. Then I die. Like the loser I am.» Auf deutsch: «Ich habe ein paar getötet, ich habe es versucht. Dann sterbe ich. Als der Versager, der ich bin.» (neo)
* Name bekannt
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