Erst noch ging der syrische Machthaber Baschar al-Assad (54) brutal gegen die Kurden im Norden seines Landes vor. Nun geht er auf sie zu. Grund: die Invasion der Türken.
«Wir stehen in Syrien einem gemeinsamen Feind gegenüber», hiess es aus dem Verteidigungsministerium in Damaskus. Kurden und Araber müssten sich angesichts der «türkischen Aggression» vereinen, um «jeden Zentimeter der geliebten syrischen Gebiete wiederherzustellen».
Noch vor kurzem wären solche Worte undenkbar gewesen!
Zuerst Anerkennung
Die Kurden allerdings geben dem verhassten Machthaber auch in ihrer Not vorerst einen Korb. Sie verlangen einen Gegendeal. Einem Zusammenschluss müsse eine «politische Vereinbarung» vorausgehen, die «den speziellen Status und die Struktur der SDF anerkennt und erhält», erklärten die kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF). Auch sei eine Reform des syrischen Militärs notwendig.
Der SDF-Kommandant Maslum Abdi (52) teilte später mit, die SDF hätten Damaskus eine Vereinbarung vorgeschlagen, «die den speziellen Status der SDF in den Gegenden erhält, in der sie präsent sind». Damit könnten die SDF zum Teil der syrischen Verteidigungsstruktur werden.
Der Schuss könnte aber auch nach hinten losgehen: Falls Assad auf die Forderungen nicht eingehen will, wären die Kurden auf sich alleine angewiesen.
«Hinrichtungen auf offener Strasse»
Können die Kurden überhaupt mit ihrem Erzfeind Assad zusammenarbeiten? «Die Situation ist höchst kompliziert.» Das sagt Mustafa Ali, der sich zurzeit in der nordostsyrischen Stadt Qamischli befindet. Der Journalist beobachtet die Angriffe der Türken aus nächster Nähe. Zu BLICK sagt er am Telefon: «Es geht nicht um eine Kooperation mit Assad, sondern schlicht darum, dass alle zusammenhalten, um die Türken zu stoppen.»
Die Türken hätten sich nicht an den Waffenstillstand gehalten. «Ihr Plan ist nicht, an einem bestimmten Ort zu stoppen. Vielmehr wollen sie vor allem Orte mit vielen Christen, wie etwa Tell Tamer, einnehmen.» Die Bewohner seien in Panik. Ali: «Auf offener Strasse finden Hinrichtungen statt.»
Zwei Millionen Flüchtlinge nach Syrien
Die Türkei war am 9. Oktober in Nordsyrien einmarschiert, um die Kurdenmiliz YPG zu vertreiben, die sie als Terrororganisation betrachtet.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (65) will in einem 30 Kilometer tiefen und über 400 Kilometer langen Streifen direkt an der Grenze auf syrischem Gebiet eine «Sicherheitszone» einrichten – mit russischer Billigung. Die Türkei will in der geplanten Sicherheitszone über zwei Millionen Flüchtlinge ansiedeln. In der Türkei leben nach Angabe aus Ankara über drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Das mit Russland verbündete Syrien sieht darin jedoch eine «Besetzung».
Assad hatte seine Truppen im Jahr 2012, in der Frühphase des syrischen Bürgerkriegs, aus den Kurdengebieten zurückgezogen, um andernorts im Land gegen Rebellen zu kämpfen. Seitdem verwalten die Kurden die Region weitgehend selbst, Assad hat dort faktisch keine Macht mehr.