Kritik an Geheimdiensten
«Der Virus kommt aus dem Giftschrank der NSA»

Hacker haben mit einem Programm der NSA 75'000 Computer weltweit lahmgelegt – unter anderem von Spitälern. Nun wird scharfe Kritik an einer gängigen Geheimdienst-Praxis laut.
Publiziert: 13.05.2017 um 16:03 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:30 Uhr
Der US-Geheimdienst NSA hat die Lücke entdeckt und geheimgehalten.

Systeme auf der ganzen Welt wurden Opfer einer massiven Cyber-Attacke: Innerhalb weniger Stunden waren 75'000 Computer in 99 Ländern von der Schadsoftware «Wanna Cry» oder «Wanna Decrypt» infiziert.

Brisant: Der Virus nutzt eine Windows-Sicherheitslücke aus, die vom US-Geheimdienst NSA entdeckt wurde. Im April gelang es einem Hacker-Kollektiv, Daten von der NSA zu stehlen. Dabei bekamen sie nicht nur Infos zur Schwachstelle in die Hände, sondern auch ein Angriffs-Tool, um es auszunutzen. Kriminelle Hacker profitieren nun davon.

«Hätte die NSA die Lücke offengelegt...»

Es entbrennt eine Diskussion über die Verantwortung von Geheimdiensten. Der Whistleblower Edward Snowden schreibt auf Twitter: «Wenn die NSA die Sicherheitslücke offengelegt hätte, als sie sie gefunden haben, und nicht, nachdem sie sie verloren haben, dann wäre das vielleicht nie passiert.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Linus Neumann vom Chaos Computer Club (CCC) schlägt in die selbe Kerbe: «Die Sicherheitslücke, über die die Rechner infiziert werden, stammt aus dem Giftschrank der NSA», sagt Neumann zu heute.de. Der Geheimdienst habe versucht, sie geheimzuhalten, um sie selbst ausnutzen zu können.

«Wäre Microsoft über die hochkritische Lücke in Kenntnis gesetzt worden, wäre sie längst geschlossen», so Neumann. Stattdessen habe das Unternehmen die Schwachstelle erst knapp vor einem Monat reparieren können.

«Die Politik der Geheimdienste gefährdet Menschenleben»

Nicht nur in Übersee wird so operiert. Katharina Nocun, die Ex-Chefin der deutschen Piratenpartei, schreibt in ihrem Blog: «Auch der deutsche Geheimdienst BND hat sich im Jahr 2014 vom Bundstag genehmigen lassen, von dubiosen Anbietern Sicherheitslücken zu kaufen.»

Das aktuelle Beispiel zeige: «Die Politik der Geheimdienste gefährdet Menschenleben. Mit unseren Steuergeldern kaufen sie Informationen zu Sicherheitslücken, an denen unsere kritische Infrastruktur hängt.» Dazu gehörten Krankenhäuser, unser Verkehrsnetz und unsere Parlamente. «Sicherheitslücken nicht zu melden ist unterlassene Hilfeleistung.» 

Normalerweise wird Ransomware dazu benutzt, Geld zu erpressen. Doch die aktuelle Attacke ist von einer grösseren Dimension: In Grossbritannien gab es massive Behinderungen in Spitälern und Arztpraxen. Rettungswagen mussten umgeleitet werden, zahlreiche Patienten wurden abgewiesen und Routine-Operationen abgesagt. (rey)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?