Kriegsangst auf dem Balkan
Serbenführer Milorad Dodik (62) will die Abspaltung

Bosnien-Herzegowina könnte demnächst aufhören zu existieren – wenn sich die serbischen Nationalisten mit ihrer sezessionistischen Politik durchsetzen.
Publiziert: 04.01.2022 um 18:05 Uhr
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Aktualisiert: 04.01.2022 um 18:06 Uhr
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Serbenführer Milorad Dodik (hier beim Verlassen eines Wahllokals 2018) will die Republik Srpska abspalten.
Foto: AP

Auf dem Balkan brodelt es wieder. Die Region steht vor ihrer grössten Krise seit dem Balkankrieg: Der Serbenführer Milorad Dodik (62) in Bosnien-Herzegewina droht, das Land zu sprengen.

«Das wird nicht friedlich», warnte Sefik Dzaferovic (64), einer der drei Präsidenten Bosnien-Herzegowinas, die jeweils als Vertreter einer bestimmten ethnischen Gruppe gewählt wurden.

Das Regierungssystem von Bosnien-Herzegowina, einem der ärmsten Länder Europas, gilt als extrem kompliziert. Um den Krieg zu beenden, der allein in Bosnien Hunderttausende Menschen das Leben gekostet hat, wurde das Land in zwei Teile geteilt, die bis heute ethnische Gräben zementieren.

Der Staat, die Teilstaaten und die zehn Kantone haben jeweils eigene legislative und exekutive Strukturen – statt einem nationalen Bildungsministerium gibt es zum Beispiel 13 regionale.

Kritiker werfen Dodik Verantwortungslosigkeit vor

Dodik droht damit, die Republika Srpska – das von ihm geführte serbische Gebiet – vom Rest Bosniens abzuspalten. Bereits im Dezember berichteten bosnische Medien, dass das Parlament des serbischen Landesteils beschlossen hat, dem Zentralstaat in den Bereichen Steuern, Justiz sowie Sicherheit und Verteidigung Kompetenzen zu entziehen.

Nun hat Dodik die Treffen mit den anderen regionalen Präsidenten des Landes offenbar eingestellt und geschworen, sich aus staatlichen Institutionen wie den bosnischen Streitkräften und der Steuerbehörde zugunsten eigener Behörden zurückzuziehen.

Unterstützung von Orban ist Dodik sicher

Einige politische Rivalen und ausländische Diplomaten verweisen angesichts von Dodiks scharfer Rhetorik auf die jüngsten Skandale. Dodik wolle von Korruptionsvorwürfen ablenken und seine nationalistische Basis vor den Wahlen im Oktober zu mobilisieren. «Er hasst Stabilität, weil er dann erklären muss, warum wir so leben, wie wir leben», sagt der serbische Oppositionsführer Branislav Borenovic (47). Dodik spiele «mit den Emotionen seines Volkes» und «kümmere sich nicht um die Konsequenzen».

Doch das sorgt ein Vierteljahrhundert nach dem blutigen Balkankrieg für berechtigte Angst. Bereits im Oktober bezeichnete ein Bericht der Vereinten Nationen die Situation als «die grösste existierende Bedrohung» für die Zukunft des Landes seit den frühen Neunzigern.

Das macht Europa nervös. Deutschland und Grossbritannien diskutieren bereits Sanktionen. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban (58) wiederum hat Dodik Unterstützung zugesichert. (kin)


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