So tötet das Coronavirus
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Befall von Lunge, Herz, Nieren:So tötet das Coronavirus

Krieg im Körper
So tötet das Coronavirus

Das Coronavirus hat die Welt fest im Griff. Doch wie schlägt Sars-Cov-2 im menschlichen Körper zu? Die bisherigen Erkenntnisse zeigen: Covid-19 ist nicht nur eine Lungenkrankheit. Der Erreger kann auch Herz, Hirn und Nieren schädigen.
Publiziert: 22.04.2020 um 20:48 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2020 um 08:28 Uhr
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Mexikanische Friedhofsmitarbeiter beerdigen einen verstorbenen Coronavirus-Patienten in Tijuana.
Foto: AFP
Georg Nopper

Die Welt zählt rund 180'000 Menschen, die nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben sind. Die Zahl der Toten steigt täglich. Das Thema beherrscht nicht nur die Diskussion in der Öffentlichkeit. Auch in der Wissenschaft sorgt die Pandemie für Aufsehen: Wie kommt es, dass das in der Fachsprache Sars-Cov-2 genannte Virus auf so unterschiedliche Weise und manchmal scheinbar willkürlich tötet? In Fachzeitschriften werden wöchentlich Tausende Artikel veröffentlicht, die sich mit Fragen rund um die schwer erkrankten Infizierten auseinandersetzen.

Das Wissenschaftsmagazin «Science» hat die bisherigen Erkenntnisse in einem Artikel zusammengefasst. Dem Bericht zufolge geht man davon aus, dass eine Infektion bei etwa fünf Prozent der Patienten zu einer kritischen Erkrankung führt. Die Komplikationen, die für viele von ihnen den Tod bedeuten, sind indes längst nicht nur in der Lungenfunktion zu suchen. Unzählige Untersuchungen aus aller Welt zeigen, dass das Coronavirus auch Nieren, Herz und Blutgefässe, Hirn und möglicherweise sogar Verdauungstrakt schädigen kann.

Einfallstor ACE2-Rezeptoren

Sars-Cov-2 verwendet die sogenannten ACE2-Rezeptoren im menschlichen Körper, die bei der Regulierung des Blutdrucks eine wichtige Rolle spielen. Darüber gelangt das Virus in die Zellen. ACE2-Rezeptoren sind an zahlreichen Stellen im Körper vorhanden. Unter anderem in Nase oder Rachen, wo das Virus im Falle einer Infektion über Tröpfchen aus der Umwelt aufgenommen wird.

Einmal in einer menschlichen Zelle angelangt, kopiert sich das Virus und befällt weitere Zellen. Über die Atemwege breitet es sich langsam bis zur Lunge aus. Es geht den Weg des Sauerstoffs bis zu den Lungenbläschen, wo die Kapillaren den Übergang zum Blutkreislauf bilden. Durch die Reaktion des Immunsystems wird dort der gesunde Transport von Sauerstoff behindert. Es kommt zu Flüssigkeitsbildung und zu einer Anhäufung toter Zellen. Dies ist der Zustand einer Lungenentzündung, die in manchen Fällen künstliche Beatmung nötig macht und im schlimmsten Fall auch zum Tod führen kann.

Kampf an verschiedenen Fronten

Viele Patienten zeigen auch Symptome, die eigentlich für Herzinfarkte typisch sind. Eine Untersuchung in Wuhan in China zeigt, dass 20 Prozent von 416 hospitalisierten Corona-Infizierten Schäden am Herzen aufwiesen. Auch Herzrhythmusstörungen wurden bei einer Vielzahl der Erkrankten festgestellt.

Manche Ärzte vermelden auch eine Verengung der Blutgefässe, was teilweise zu absterbendem Gewebe in Fingern und Zehen und zu entsprechenden blauen Flecken führt. Dies würde erklären, weshalb Diabetes und Bluthochdruck im Zusammenhang mit Covid-19 als besondere Risikofaktoren gelten.

Insgesamt verdichten sich die Hinweise darauf, dass Sars-Cov-2 Blutgefässe und Herz angreift. Wie der Mechanismus genau aussieht, ist umstritten.

Blutklumpen könnten eine wichtige Rolle spielen

Doch auch das Blut selbst ist offenbar betroffen: Eine Intensivstation in Holland hat bei einem Viertel der untersuchten Covid-19-Patienten eine Klumpenbildung im Blut festgestellt. Dies kann zur Verstopfung von lebenswichtigen Blutgefässen, einer Lungenembolie oder einem Hirnschlag führen. Behnood Bikdeli, Spezialist für Herz und Blutgefässe am Columbia University Medical Center in New York: «Je genauer wir hinschauen, desto wahrscheinlicher wird es, dass Blutklumpen eine wesentliche Rolle beim Schweregrad der Erkrankung und bei der Sterblichkeit von Covid-19 spielt.»

Zahlen aus China zeigen, dass auch viele Coronavirus-Patienten Protein und Blut im Urin haben. Das deutet auf Nierenschäden hin. Berichte über Nierenversagen mehren sich. Hongbo Jia vom chinesischen Suzhou Institut für Biomedizinisches Ingenieurwesen und Technik sieht die Lunge zwar klar als «primäre Kampfzone». «Aber ein Teil des Virus greift möglicherweise die Niere an. Das ist wie im echten Krieg: Wenn zwei Stellen gleichzeitig attackiert werden, verschlimmert sich die Situation an beiden Orten.»

Anfälle wie bei Hirntrauma, Blut im Stuhl

Dass viele Covid-19-Patienten über den Verlust des Geruchssinns klagen, deutet darauf hin, dass das Coronavirus auch das Nervensystem befällt. In einem New Yorker Spital müssen 5 bis 10 Prozent der Corona-Patienten neurologisch untersucht werden. Einige von ihnen weisen Entzündungen im Gehirn auf, einige machen Anfälle wie nach einem erlittenen Hirntrauma durch. Auf welchem Weg das Virus das Hirn befällt, ist unklar. Möglicherweise spielen jedoch auch in diesem Fall die ACE2-Rezeptoren eine Rolle.

Ebenfalls weitgehend unklar sind die Auswirkungen von Sars-Cov-2 auf den Verdauungstrakt. Fest steht: Ein Grossteil der Patienten leidet an Durchfall. Es gibt auch Berichte über Patienten, die erbrechen müssen und über Bauchschmerzen klagen, im Extremfall sogar Blut im Stuhl aufweisen. Ob sich das Virus über Fäkalien übertragen kann, ist nicht bekannt. Allerdings wurde bei der Untersuchung von Stuhlproben bereits genetisches Material von Sars-Cov-2 gefunden. Wissenschaftler vermuten wenn überhaupt aber nur eine geringe Übertragungsgefahr auf diesem Weg.

Coronavirus

Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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