Alarmstufe Rot in Südkorea. Wie das Gesundheitsministerium mitteilte, ist die Zahl der Todesfälle in Folge der schweren Atemwegserkrankung Mers (Middle East Respiratory Syndrome) auf zehn gestiegen.
Das Gesundheitsministerium meldete neben dem Todesfall auch 14 Neuerkrankungen. Die Zahl der Patienten mit der schweren Atemwegserkrankung stieg seit dem Ausbruch vor drei Wochen auf 122.
«Krieg gegen die Seuche und gegen die Angst»
In der Zwischenzeit hat Hongkongs Regierung auf die rapide Verbreitung des Mers-Virus in Südkorea reagiert und eine Reisewarnung für das ganze Land ausgesprochen.
Der Ausbruch sei laut der Verwaltungschefin Carrie Lam als «sehr ernst» einzustufen. Reisenden rät Lam aufgrund der «erheblichen Ansteckungsgefahr», ihre «Pläne der Situation anzupassen» und «nicht notwendige Trips» nach Südkorea zu vermeiden, wie der «Guardian» berichtet.
Nam Kyung-pil, Gouverneur der Gyeonggi-do-Provinz im Nordwesten des Landes, sprach derweil in einer öffentlichen Rede von zwei Kriegen, die Südkorea derzeit ausfechten müsse: «Einen Krieg gegen die Seuche und einen Krieg gegen die Angst in der Bevölkerung.»
Fast 3000 Menschen in Quarantäne
Das Virus bestimmt in Südkorea zunehmend das öffentliche Leben: Als Vorsichtsmassnahme gegen eine weitere Ausbreitung wurden hunderte Veranstaltungen abgesagt und über 2400 Schulen und Kindergärten, allen voran in der Hauptstadt Seoul, geschlossen.
In Seoul tragen inzwischen zahlreiche Menschen aus Furcht vor einer Ansteckung in U-Bahnen und Bussen Atemschutzmasken. Theater und Kinos verzeichneten drastische Einbrüche beim Ticketverkauf, in Kaufhäusern ging die Zahl der Kunden merklich zurück.
Bisher wurden fast 3000 Menschen unter Quarantäne gestellt. Um sicher zu gehen, dass sie ihre Wohnung nicht verlassen, will Südkoreas Regierung ihre Handys orten.
Mehr als 20 Länder betroffen
Mers zählt wie viele Erkältungsviren und auch der Sars-Erreger zu den Coronaviren. Nach bisheriger Erkenntnis wurde es seit vielen Jahren unerkannt von Kamelen auf Menschen übertragen.
Die Erkrankung geht häufig mit grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber, Husten und Kurzatmigkeit einher. Bei schweren Verläufen kann sich eine Lungenentzündung entwickeln, auch kann es zu Nierenversagen kommen.
Erstmals trat die Erkrankung 2012 auf der Arabischen Halbinsel, vornehmlich in Saudi-Arabien, auf. Dort wurden bislang mehr als 400 Todesfälle gemeldet. Weltweit sind mehr als 20 Länder betroffen. In Gebieten ausserhalb der Arabischen Halbinsel handelt es sich dabei meist um eingeschleppte Infektionen.
So auch in Südkorea: Dort wurde das Virus erstmals am 20. Mai bei einem 68-jährigen Mann nachgewiesen, der von einer Nahost-Reise zurückgekehrt war. Alle weiteren Infektionen von Patienten, Klinikpersonal oder Besuchern gingen von ihm aus.
Kein «massiver Ausbruch» erwartet
Noch am Sonntag versuchte der Premierminister Choi Kyoung-Hwan, die Bevölkerung zu beruhigen: «Mit angemessener Quarantäne und Hygiene wird sich das Virus nicht so sehr verbreiten.»
Man habe sich die Kritik an der anfänglichen Reaktion auf den Ausbruch der Krankheit zu Herzen genommen und werde nun alles unternehmen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, sagt Kyoung-Hwan.
Derzeit rechnen Experten nicht mit einem «massiven Ausbruch» der Krankheit, wie der Mikrobiologe Ho Pak Leung von der Universität Hongkong in der «FAZ» sagt. Da Mers nicht so leicht zwischen Menschen übertragbar ist wie etwa die Atemwegsinfektion Sars, werde es wohl bei einer «fortdauernden Übertragung auf niedrigem Niveau» bleiben, erklärt Pak Leung.
Wie hoch ist das Risiko in der Schweiz?
Und wie sieht die Situation in der Schweiz aus? Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schätzt das Risiko eines Mers-Ausbruchs hierzulande als «äusserst gering» ein.
«Denkbar ist ein Einzelfall, etwa ein Rückkehrer aus dem arabischen Raum, doch die Wahrscheinlichkeit dafür ist klein», sagt Dr. Daniel Koch, Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim BAG zu Blick.ch. Man beobachte die Situation aber sehr genau und sei in ständigem Kontakt mit der EU.
Eine Reisewarnung für Südkorea sei zum gegebenen Zeitpunkt kein Thema. «Dazu fehlen die Grundlagen», sagt Koch. «Es wäre unverhältnismässig. Sonst müsste man auch eine Warnung für den gesamten arabischen Raum aussprechen, wo die Krankheit seit Längerem verbreitet ist.»