Krater voll Flüssigkeit nach Mega-Explosion in Tianjin
Wie gefährlich ist das «Tor zur Hölle»?

Ein riesiger Krater zeugt von den Mega-Explosionen in einem Gefahrengut-Lager in der chinesischen Metropole Tianjin. Die betroffene Firma soll dort 30-mal mehr Natriumcyanid gelagert haben als erlaubt.
Publiziert: 17.08.2015 um 13:09 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2018 um 10:37 Uhr
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Der Krater soll mehrere Meter tief sein.
Foto: Keystone

Am Hafen von Tianjin steigen noch immer Rauchschwaden in den Himmel. Fünf Tage nach den verheerenden Explosionen in einem Lagerhaus für Gefahrengut kam es heute Morgen (Ortszeit) zu mehreren weiteren kleineren Detonationen, berichten chinesische Medien.

Bei den Mega-Explosionen vergangenen Mittwoch war die Energie von 21 Tonnen TNT freigesetzt worden. Ein riesiges Loch klafft dort, wo bis vor wenigen Tagen Lagerhäuser und Container standen. «Es sieht aus wie das Tor zur Hölle», schreibt ein Twitter-User. Der Krater soll angeblich mehrere Meter tief sein – die Löschfahrzeuge sehen daneben wie Ameisen aus. 

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Den verfügbaren Foto- und Videoaufnahmen zufolge ist der Krater mit einer Flüssigkeit gefüllt. Um welche Flüssigkeit es sich dabei handelt, ist unklar. Die chinesischen Behörden informieren nur sehr zurückhaltend. So wurde erst gestern bestätigt, dass sich «mehrere Hundert Tonnen» hochgiftiges Cyanid in dem Gefahrengut-Lager befunden hatten. Es soll sich dabei laut chinesischen Medien um 700 Tonnen Natriumcyanid handeln – offenbar 30-mal mehr, als die Firma hätte lagern dürfen. Zersetzt sich das kristalline Pulver in Gas, kann es massive Gesundheitsschäden verursachen und sogar zum Tod führen.

Aufräumarbeiten haben begonnen

Laut General Shi Luze, Generalstabschef der Region Peking, ist bei den Explosionen aber nicht das gesamte gelagerte Natriumcyanid freigesetzt worden. Die meisten Cyanid-Behälter seien «noch intakt», betonte er an einer Medienkonferenz. Bei Wasserproben sei allerdings ein 27-mal höherer Cyanidwert gemessen worden als normalerweise.

Heute nun wurde mit den Aufräumarbeiten an der Unglücksstelle begonnen. Sie sind «sehr schwierig und heikel», sagte der stellvertretende Bürgermeister der Stadt, Hu Shushan. Für den Abend wurde Regen vorhergesagt, der Angst davor schürt, dass sich die Gase zu einer giftigen Wolke formieren. Helfer hätten Dämme aus Sand und Erde rund um ein Gebiet von 100'000 Quadratmetern aufgeschüttet, um das Austreten von Zyanid und anderen schädlichen Substanzen zu verhindern, sagte Hu.

«Regierung, kauft unsere Häuser zurück»

Die betroffenen Anwohner sind misstrauisch – und ausgesprochen wütend. Er habe nicht gewusst, in der Nähe solch gefährlicher Chemikalien zu wohnen, sagt Liu Xuerui zu «China Daily». «Wir haben gedacht, dass sich da bloss Stapel von Containern befinden und Parkplätze für importierte Autos. Niemand sagte uns, dass es dort Chemikalien hat. Sonst hätte ich nie beschlossen, hier zu leben», sagt der 27-jährige Chinese.

Einige Anwohner weigern sich nun, in ihre Wohnungen zurückzukehren. Rund 100 Personen versammelten sich heute zu einer Demo und forderten Entschädigungszahlungen. «Wir Opfer fordern: Regierung, kauft unsere Häuser zurück», stand auf einem Banner vor dem Hotel, in dem die Pressekonferenz stattfand.

Kritik von Seiten der Feuerwehr

Misstrauen schürt die Regierung auch, indem sie kritische Kommentare zensiert. Auf der chinesischen Social-Media-Plattform Weibo wurden laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua 360 Konten gesperrt, Einträge gelöscht und rund 50 Websites wegen «Erzeugens von Panik durch die Verbreitung ungeprüfter Informationen» gebüsst.

Laut «Mashable» wurde beispielsweise ein vielfach geteilter Post der Zeitung «Southern Weekly» gelöscht, in dem auf ein Artikel verwiesen wird, in dem ein Feuerwehrmann die Koordination des Einsatzes kritisiert. Die Einsatzkräfte hätten nicht gewusst, dass sie aufgrund der Gefahr durch die Chemikalien nicht mit Wasser löschen dürften. Natriumcyanid explodiert beim Kontakt mit Wasser – hatten also etwa die Feuerwehrleute die Explosionen ausgelöst? Die Frage bleibt vorerst unbeantwrotet. Der Artikel selbst sei inzwischen gelöscht worden.

Für mehrere Dutzend Feuerwehrleute endete der Einsatz tödlich. Sie waren wegen eines Brandes zur Unglücksstelle gerufen worden, als es zu den heftigen Explosionen kam. Neusten Angaben zufolge kamen insgesamt mindestens 114 Menschen ums Leben, über 700 wurden verletzt. 70 Personen – vor allem Feuerwehrmänner – werden noch immer vermisst. (lha/SDA)

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