Der Berner Kurt Trachsel (41) präsentierte sich der Welt als Schweizer Bauer, der in den Kosovo ausgewandert ist. Er sei perfekt integriert und beliebt bei den Nachbarn, behauptete Trachsel im kosovarischen TV-Sender. Das Video ging viral – aus Trachsel wurde Kosovo-Kurt. Auch BLICK berichtete über die ungewöhnliche Auswanderergeschichte.
Beim Besuch im Kosovo bekommt diese Fassade aber Risse. Nach dem Hof von Trachsel gefragt, reagieren die Nachbarn gereizt. Der BLICK-Übersetzer: «Es ist, als würde ich nach dem Haus von Osama Bin Laden fragen.» Die Anwohner meinen, Trachsel sei ein Missionar, wolle die Nachbarn vom Christentum überzeugen – ein Tabubruch in einer muslimischen Gegend. Im Internet kursieren krude Anschuldigungen gegen den Schweizer: Er habe versucht, mit Spielzeug Kinder anzulocken – für bare Münze nehmen kann man das wohl nicht.
«Wir sind überzeugte Christen»
Beim Gebäudekomplex von Kosovo-Kurt angekommen wird die Stimmung nervös. «Kurt ist nicht hier, keine Fotos», ruft ein Mann, der offenbar für den Schweizer arbeitet. Beim Gebäude handelt es sich um eine christlich geführte Entzugsklinik für Drogenabhängige.
Der Arbeiter bringt das BLICK-Team in den Keller. Dort stapeln sich tonnenweise Pizzakartons: «Hier arbeiten Süchtige bis zu 18 Monate», sagt er. Sie produzieren Verpackungen, hauptsächlich Pizzakartons.
Die Mitarbeiterliste von Trachsels Rehabilitationszentrum ist ein Sammelbecken von Frömmlern und Missionaren. Ein gewisser Steve Beiler ist da angegeben. Umtriebiger Missionar der «Kirche des Nazareners». Für die Therapien ist Patrick Walser verantwortlich. Der Sozialpädagoge steht der evangelikalen Täufergemeinde Buchwiesen nahe. Die Truppe stänkert gegen Sänger Justin Bieber und Sex vor der Ehe. Und: Sie ist im Kosovo äusserst aktiv. «Eine typische evangelikale Freikirche mit starkem missionarischem Fokus», meint Sektenexperte Georg Schmid.
Auf dem einschlägigen Portal jesus.ch gab Trachsel offen zu: «Wir sind überzeugte Christen und versuchen, unsere Werte weiterzugeben.»
Experte: Patienten sind Kosovo-Kurt ausgeliefert
Kosovo-Kurt versucht also ausgerechnet Suchtkranke, die Schwächsten der Schwachen, zu missionieren. Für Suchtmediziner Philip Bruggmann ist das ein Unding: «Die Vermischung von Drogenentzug und Missionieren ist heikel. Weil die Patienten in einer schweren Lebenslage ausgeliefert sind. Keine ideale Kombination.» Dazu kommt: Gerade der Entzug von harten Drogen sollte unter enger medizinischer Betreuung erfolgen, so der Experte.
Trachsel reagiert kleinlaut auf die Vorwürfe. Er sagt zwar: «Wir sind alles Christen.» Und: Man werde auch von religiösen Organisationen finanziert. Welche das genau sind, weiss Trachsel aber nicht auswendig. Mittlerweile ist ihm die öffentliche Aufmerksamkeit nicht mehr wohl: «Wir könnten hier jederzeit von muslimischen Extremisten angegriffen werden!»