Koscheres Fleisch nur bei Registrierung
Listen-Regel für Juden sorgt in Österreich für Kritik

Koscheres Fleisch soll in Niederösterreich künftig nur noch an Juden verkauft werden, die sich davor registriert haben. Gegner der Entscheidung erinnert dies an die Nazi-Zeit.
Publiziert: 19.07.2018 um 14:43 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:23 Uhr
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Bizarre neue Richtlinien in Niederösterreich: Um das Schächten von Tieren so fest wie möglich einzudämmen, soll der Export von koscher geschlachtetem Fleisch verboten und der Zugang zu koscherem Fleisch massiv eingeengt werden.
Foto: imago
Andreas Hobi

In Niederösterreich sorgt FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl für mächtig Wirbel: Um das Schächten von Tieren einzudämmen, hat sich die Abteilung Naturschutz zwei neue Richtlinien einfallen lassen.

Einerseits soll künftig der Export von koscher geschlachtetem Fleisch verboten werden. Andererseits will man auch den Zugang zu koscherem Fleisch massiv einschränken. So sollen künftig nur noch Juden koscheres Fleisch kaufen dürfen, die koscher leben und sich registriert haben. Das berichtete die «Wiener Zeitung» unter Berufung auf die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG).

Innerhalb der jüdischen Gemeinde sorgt der Vorschlag für Empörung. Oskar Deutsch, Präsident der Kultusgemeinde, befürchtet, dass sich Juden, wie damals zur Hitler-Zeit, namentlich in Listen eintragen sollen.

Schächten generell ablehnen

Deutsch nennt die Richtlinie deshalb einen «negativen Arier-Paragrafen». Es erinnere ihn an eine Zeit, «an die ich mich nicht erinnern möchte». Für Waldhäusl sind die Befürchtungen der IKG aber völlig «überzogen». Für ihn sei das Schächten aus Sicht des Tierschutzes generell abzulehnen.

Aber auch da denkt Deutsch genau das Gegenteil. Das Schächten gehöre neben der Beschneidung zu den Grundpfeilern des jüdischen Glaubens. «Wenn Juden in Österreich leben wollen, dann muss das möglich sein», sagt er im Gespräch mit dem «Standard».

Politiker fordern Waldhäusls Rücktritt

Der IKG will sich nun wehren, hat bereits Gespräche mit der österreichischen Regierung geführt.

So weit wird es wohl nicht kommen. Die massive Reduzierung von koscherem Fleisch wäre eine Einschränkung des jüdischen Lebens und somit verfassungswidrig. Zudem erhält der Vorschlag keine Unterstützung von anderen Parteien.

«Diese Registrierung erinnert an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte», sagt SPÖ-Chef Christian Kern und fordert laut «nön.at» sogar Waldhäusls Rücktritt.

«Wir sind wachsamer geworden»

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, hatte mit den Opfern des Zürcher Messer-Irren bereits Kontakt. Er bestätigt, dass ein Mann mit einem Messer hinter einer Gruppe her war, die als orthodox-jüdisch klar erkennbar war.

«Der Vorfall schreckt auf. Es ist nicht alltäglich, dass Juden in Zürich auf offener Strasse in dieser Qualität bedroht werden», sagt Kreutner. Deshalb sei in der jüdischen Gemeinschaft eine gewisse Verunsicherung da. «Zum Glück hat die Polizei schnell reagiert und es gab keine Verletzten. Jetzt müssen die Ermittlungsergebnisse der Polizei abgewartet werden.»

Die Stimmung unter den Juden in der Schweiz bezüglich Antisemitismus und was sie hierzulande alles erleben, habe sich gegenüber dem Vorjahr glücklicherweise nicht gross verändert. «Wie der letztjährige Antisemitismus-Bericht von uns zeigt, passiert sehr viel im Internet. Die Menge an Beschimpfungen und antisemitischen Aussagen im Netz hat in den letzten Jahren allerdings zugenommen.» Besonders wenn im nahen Osten etwas passiere, würden viele Hasskommentare gepostet. Und diese Wellen schlagen verhältnismässig immer wie mehr aus.

«Die eher gravierenden Fälle wie direkte Beschimpfungen und tätliche Angriffe auf der Strasse sind zum Glück relativ selten», sagt Kreutner. «Wir hören zwar schon manchmal, dass jemandem eine Kippa vom Kopf geschlagen wurde, aber eigentlich zeigt sich Antisemitismus in der Schweiz vor allem eben im Netz.» Antisemitismus sei aber nicht an ein Milieu gebunden, es gebe ganz unterschiedliche Ausprägungen und unterschiedliche Motive.

Allgemein sei die Unsicherheit bei den Juden in den letzten Jahren gewachsen, «wie überall in Europa», sagt Kreutner. «Wir sind nicht panisch, aber viel wachsamer geworden und es mussten viele Sicherheitsmassnahmen getroffen werden. Aber dass ein bewaffneter Mann einer Gruppe Juden hinterhehr rennt und sie beleidigt, das hat eine nicht ganz alltägliche Qualität.» (sdg)

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, hatte mit den Opfern des Zürcher Messer-Irren bereits Kontakt. Er bestätigt, dass ein Mann mit einem Messer hinter einer Gruppe her war, die als orthodox-jüdisch klar erkennbar war.

«Der Vorfall schreckt auf. Es ist nicht alltäglich, dass Juden in Zürich auf offener Strasse in dieser Qualität bedroht werden», sagt Kreutner. Deshalb sei in der jüdischen Gemeinschaft eine gewisse Verunsicherung da. «Zum Glück hat die Polizei schnell reagiert und es gab keine Verletzten. Jetzt müssen die Ermittlungsergebnisse der Polizei abgewartet werden.»

Die Stimmung unter den Juden in der Schweiz bezüglich Antisemitismus und was sie hierzulande alles erleben, habe sich gegenüber dem Vorjahr glücklicherweise nicht gross verändert. «Wie der letztjährige Antisemitismus-Bericht von uns zeigt, passiert sehr viel im Internet. Die Menge an Beschimpfungen und antisemitischen Aussagen im Netz hat in den letzten Jahren allerdings zugenommen.» Besonders wenn im nahen Osten etwas passiere, würden viele Hasskommentare gepostet. Und diese Wellen schlagen verhältnismässig immer wie mehr aus.

«Die eher gravierenden Fälle wie direkte Beschimpfungen und tätliche Angriffe auf der Strasse sind zum Glück relativ selten», sagt Kreutner. «Wir hören zwar schon manchmal, dass jemandem eine Kippa vom Kopf geschlagen wurde, aber eigentlich zeigt sich Antisemitismus in der Schweiz vor allem eben im Netz.» Antisemitismus sei aber nicht an ein Milieu gebunden, es gebe ganz unterschiedliche Ausprägungen und unterschiedliche Motive.

Allgemein sei die Unsicherheit bei den Juden in den letzten Jahren gewachsen, «wie überall in Europa», sagt Kreutner. «Wir sind nicht panisch, aber viel wachsamer geworden und es mussten viele Sicherheitsmassnahmen getroffen werden. Aber dass ein bewaffneter Mann einer Gruppe Juden hinterhehr rennt und sie beleidigt, das hat eine nicht ganz alltägliche Qualität.» (sdg)

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