Konflikte, Klimawandel und Covid-19
Corona ist «Brandbeschleuniger» für Hunger weltweit

Die deutsche Hilfsorganisation Welthungerhilfe befürchtet eine starke Zunahme von Hunger und Armut weltweit durch die Corona-Pandemie.
Publiziert: 12.10.2020 um 17:05 Uhr
Der Welthunger-Index (WHI) ist ein Instrument, mit dem die Hungersituation auf weltweiter, aber auch auf regionaler und nationaler Ebene erfasst und verfolgt wird. (Symbolbild)
Foto: /EPA/SHIRAAZ MOHAMED

Besonders in Afrika südlich der Sahara und in Südasien sei die Situation schon vor der Pandemie alarmierend gewesen, sagte die Präsidentin der Organisation, Marlehn Thieme, am Montag bei der Vorstellung des Welthunger-Index 2020 in Berlin. «Covid-19 wirkt wie ein Brandbeschleuniger.» Zusätzlich werde die Situation durch die Folgen des Klimawandels wie zunehmende Dürrekatastrophen verschärft.

Wie viele Menschen leiden an Hunger?

Nach dem Welthungerindex litten Ende 2019 rund 690 Millionen Menschen unter chronischem Hunger, weitere 135 Millionen seien von einer akuten Ernährungskrise betroffen gewesen. Insgesamt seien Menschen in 50 Ländern - ein Viertel aller Länder weltweit - von Hunger und Unterernährung betroffen. In 14 Ländern habe sich die Situation seit 2012 sogar verschlechtert.

Werden die Uno-Ziele verpasst?

Die Welthungerhilfe befürchtet nun, dass das Ziel der Vereinten Nationen, bis 2030 auf «Null Hunger» zu kommen, weit verfehlt werden könnte. «Wenn wir bei der Hungerbekämpfung weiter so machen wie bisher, werden es 37 Länder bis 2030 nicht schaffen, ein niedriges Hungerniveau zu erreichen», sagte Thieme. Die Fortschritte seien in Folge von Ungleichheit, Konflikten, Vertreibung und Klimawandel viel zu gering. (SDA)

Die 17 UNO-Ziele auf einen Blick

 

  • Ziel 1: Armut in allen ihren Formen und überall beenden.
    Über 800 Millionen Menschen sind extrem arm und leben von weniger als 1,25 Dollar pro Tag. Rund 70 Prozent der Betroffenen sind Frauen
     
  • Ziel 2: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.
    Die 800 Millionen Armen sind auch diejenigen, die Hunger leiden. Bis 2050 müssten weltweit doppelt so viele Lebensmittel produziert werden wie heute, um die rasch ansteigende Nachfrage zu decken.
     
  • Ziel 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.
    Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind unter 15 Jahren. Das sind etwa 5,4 Millionen Kinder pro Jahr. Weltweit leben 36,9 Millionen Menschen mit HIV, 200 Millionen erkranken schätzungsweise jährlich an Malaria.
     
  • Ziel 4: Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern.
    Rund 61 Millionen Kinder im Primarschulalter gehen weltweit nicht zur Schule. Geschätzte 130 Millionen Kinder können auch nach vier Jahren Schule kaum lesen, schreiben und rechnen.
     
  • Ziel 5: Geschlechtergleichstellung erreichen sowie alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen.
    Weltweit leben geschätzt 650 Millionen Frauen, die im Kindesalter verheiratet wurden. Jedes Jahr ereilt zwölf Millionen minderjährige Mädchen das gleiche Los.
  • Ziel 6: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten.
    2,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser, 4,4 Milliarden keinen sicheren Zugang zu sanitären Einrichtungen. 892 Millionen Menschen verrichten ihre Notdurft im Freien.
     
  • Ziel 7: Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern.
    Heute haben weltweit 1,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. 2,5 Milliarden hängen von traditioneller Biomasse als Energiequelle ab, sprich von Holz, Holzkohle oder Tierdung.
     
  • Ziel 8: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.
    Weltweit sind über 200 Millionen Menschen arbeitslos. Über 70 Millionen der Betroffenen sind zwischen 15 und 24 Jahre alt.
     
  • Ziel 9: Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen.
    1,1 Milliarden Menschen müssen noch immer ohne Strom leben. 3,9 Milliarden können vom Internet nur träumen.
     
  • Ziel 10: Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringern.
    42 Reiche besitzen so viel wie 3,7 Milliarden Arme.
     
  • Ziel 11: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen.
    Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten. 2050 werden es 70 Prozent sein. Städte verbrauchen drei Viertel der globalen Ressourcen und sind für 75 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. In Zukunft sind Smart Cities gefragt.
     
  • Ziel 12: Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen.
    1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel landen laut der Welthungerhilfe Jahr für Jahr im Müll. Allein in der Schweiz werden jährlich rund zwei Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen.
     
  • Ziel 13: Umgehend Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen.
    Weltweit beträgt der CO-Ausstoss, der die Erderwärmung fördert, 36 153 Millionen Tonnen. Zwischen 1990 und 2012 stieg er um über 50 Prozent an, 2017 war ein Rekordjahr.
     
  • Ziel 14: Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.Heute isst jeder Mensch durchschnittlich 19,2 kg Fisch pro Jahr – etwa doppelt so viel wie noch vor 50 Jahren. 2012 wurden weltweit knapp 80 Millionen Tonnen Meeresfisch gefangen. Zwischen 1970 und 2010 gingen Fischpopulationen weltweit um 50 Prozent zurück.
     
  • Ziel 15: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern.
    Bis zu 170 Millionen Hektare Wald werden laut einer Studie des WWF ohne Gegenmassnahmen bis 2030 verloren gehen. Davon allein 48 Millionen Hektare am Amazonas, der dann zu 30 Prozent entwaldet wäre.
     
  • Ziel 16: Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern.
    Die 100 grössten Rüstungsunternehmen der Welt verkauften 2017 Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von 398,2 Milliarden US-Dollar – 2,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Mitte 2018 waren 68,8 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht.
     
  • Ziel 17: Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen.2018 gab die Schweiz 3 Mrd. Franken für Entwicklungshilfe aus. Das sind 0,44 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens. Die Agenda 2030 sieht vor, dass künftig alle entwickelte Länder 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens aufwenden.

 

 

  • Ziel 1: Armut in allen ihren Formen und überall beenden.
    Über 800 Millionen Menschen sind extrem arm und leben von weniger als 1,25 Dollar pro Tag. Rund 70 Prozent der Betroffenen sind Frauen
     
  • Ziel 2: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.
    Die 800 Millionen Armen sind auch diejenigen, die Hunger leiden. Bis 2050 müssten weltweit doppelt so viele Lebensmittel produziert werden wie heute, um die rasch ansteigende Nachfrage zu decken.
     
  • Ziel 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.
    Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind unter 15 Jahren. Das sind etwa 5,4 Millionen Kinder pro Jahr. Weltweit leben 36,9 Millionen Menschen mit HIV, 200 Millionen erkranken schätzungsweise jährlich an Malaria.
     
  • Ziel 4: Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern.
    Rund 61 Millionen Kinder im Primarschulalter gehen weltweit nicht zur Schule. Geschätzte 130 Millionen Kinder können auch nach vier Jahren Schule kaum lesen, schreiben und rechnen.
     
  • Ziel 5: Geschlechtergleichstellung erreichen sowie alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen.
    Weltweit leben geschätzt 650 Millionen Frauen, die im Kindesalter verheiratet wurden. Jedes Jahr ereilt zwölf Millionen minderjährige Mädchen das gleiche Los.
  • Ziel 6: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten.
    2,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser, 4,4 Milliarden keinen sicheren Zugang zu sanitären Einrichtungen. 892 Millionen Menschen verrichten ihre Notdurft im Freien.
     
  • Ziel 7: Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern.
    Heute haben weltweit 1,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. 2,5 Milliarden hängen von traditioneller Biomasse als Energiequelle ab, sprich von Holz, Holzkohle oder Tierdung.
     
  • Ziel 8: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.
    Weltweit sind über 200 Millionen Menschen arbeitslos. Über 70 Millionen der Betroffenen sind zwischen 15 und 24 Jahre alt.
     
  • Ziel 9: Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen.
    1,1 Milliarden Menschen müssen noch immer ohne Strom leben. 3,9 Milliarden können vom Internet nur träumen.
     
  • Ziel 10: Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringern.
    42 Reiche besitzen so viel wie 3,7 Milliarden Arme.
     
  • Ziel 11: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen.
    Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten. 2050 werden es 70 Prozent sein. Städte verbrauchen drei Viertel der globalen Ressourcen und sind für 75 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. In Zukunft sind Smart Cities gefragt.
     
  • Ziel 12: Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen.
    1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel landen laut der Welthungerhilfe Jahr für Jahr im Müll. Allein in der Schweiz werden jährlich rund zwei Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen.
     
  • Ziel 13: Umgehend Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen.
    Weltweit beträgt der CO-Ausstoss, der die Erderwärmung fördert, 36 153 Millionen Tonnen. Zwischen 1990 und 2012 stieg er um über 50 Prozent an, 2017 war ein Rekordjahr.
     
  • Ziel 14: Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.Heute isst jeder Mensch durchschnittlich 19,2 kg Fisch pro Jahr – etwa doppelt so viel wie noch vor 50 Jahren. 2012 wurden weltweit knapp 80 Millionen Tonnen Meeresfisch gefangen. Zwischen 1970 und 2010 gingen Fischpopulationen weltweit um 50 Prozent zurück.
     
  • Ziel 15: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern.
    Bis zu 170 Millionen Hektare Wald werden laut einer Studie des WWF ohne Gegenmassnahmen bis 2030 verloren gehen. Davon allein 48 Millionen Hektare am Amazonas, der dann zu 30 Prozent entwaldet wäre.
     
  • Ziel 16: Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern.
    Die 100 grössten Rüstungsunternehmen der Welt verkauften 2017 Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von 398,2 Milliarden US-Dollar – 2,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Mitte 2018 waren 68,8 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht.
     
  • Ziel 17: Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen.2018 gab die Schweiz 3 Mrd. Franken für Entwicklungshilfe aus. Das sind 0,44 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens. Die Agenda 2030 sieht vor, dass künftig alle entwickelte Länder 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens aufwenden.

 

Wie kann ich Hungernden helfen?

Die Statistik ist traurig. Welthungerhilfe-Sprecherin Simone Pott erklärt, welche Konsequenzen wir persönlich daraus ziehen sollten.

Was kann ich persönlich für die Hungernden tun?
Man sollte den Wert der Lebensmittel besser schätzen und nur so viel einkaufen, wie auch wirklich gebraucht wird. Mit jedem Joghurt, das im Güsel landet, werden auch wichtige Ressourcen verschwendet. Auch ein niedriger Fleischkonsum schont die weltweiten Ressourcen. Ausserdem kann man gezielt Projekte finanziell unterstützen.

Macht es bei schnäderfrässigen Kindern Sinn zu sagen: «Denk an die armen Kinder in Afrika, die gar nichts zu essen haben»?
Kinder sollten wissen, dass Lebensmittel nicht in den Supermärkten entstehen, sondern dafür Wasser, Energie und körperliche Arbeit nötig sind. Man kann erklären, dass es nicht überall einen vollen Teller gibt. Kinder können lernen, dass Nahrungsmittel wertvoll sind – ohne dass sie beim Essen ein schlechtes Gewissen bekommen.

Soll ich überhaupt in solche Länder reisen, wo Hungersnot herrscht?
Das ist eine schwierige Frage, die jeder persönlich beantworten muss. Tourismus ist für viele Länder eine wichtige Einnahmequelle. Es entstehen Jobs und Erwerbsmöglichkeiten.

Gibt es auch bei uns Kinder, die hungern?
Hunger ist vielschichtig, und auch in Europa gibt es viele Kinder, die mangelernährt sind. Ohne ausreichende Proteine, Spurenelemente oder Vitamine wird ein Körper nicht ausreichend versorgt, auch wenn die Zahl der Kalorien ausreicht. (gf)

Die Statistik ist traurig. Welthungerhilfe-Sprecherin Simone Pott erklärt, welche Konsequenzen wir persönlich daraus ziehen sollten.

Was kann ich persönlich für die Hungernden tun?
Man sollte den Wert der Lebensmittel besser schätzen und nur so viel einkaufen, wie auch wirklich gebraucht wird. Mit jedem Joghurt, das im Güsel landet, werden auch wichtige Ressourcen verschwendet. Auch ein niedriger Fleischkonsum schont die weltweiten Ressourcen. Ausserdem kann man gezielt Projekte finanziell unterstützen.

Macht es bei schnäderfrässigen Kindern Sinn zu sagen: «Denk an die armen Kinder in Afrika, die gar nichts zu essen haben»?
Kinder sollten wissen, dass Lebensmittel nicht in den Supermärkten entstehen, sondern dafür Wasser, Energie und körperliche Arbeit nötig sind. Man kann erklären, dass es nicht überall einen vollen Teller gibt. Kinder können lernen, dass Nahrungsmittel wertvoll sind – ohne dass sie beim Essen ein schlechtes Gewissen bekommen.

Soll ich überhaupt in solche Länder reisen, wo Hungersnot herrscht?
Das ist eine schwierige Frage, die jeder persönlich beantworten muss. Tourismus ist für viele Länder eine wichtige Einnahmequelle. Es entstehen Jobs und Erwerbsmöglichkeiten.

Gibt es auch bei uns Kinder, die hungern?
Hunger ist vielschichtig, und auch in Europa gibt es viele Kinder, die mangelernährt sind. Ohne ausreichende Proteine, Spurenelemente oder Vitamine wird ein Körper nicht ausreichend versorgt, auch wenn die Zahl der Kalorien ausreicht. (gf)

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