Über Jahre war Wladimir Putin (71) bedacht, seine Familie aus der Öffentlichkeit zu halten – nun bahnt sich ein Generationenwechsel im Kreml an, und der russische Präsident verteilt die Posten neu. Was überrascht: Seine Familie und Verwandte bekleiden immer mächtigere Positionen. So ernannte er erst kürzlich Anna Ziwiljowa (52), die Tochter seines Cousins, zu der neuen Ministerin für Wohnungsbau und soziale Sicherung.
Auch Putins Töchter, Katerina Tichonowa (37) und Marija Woronzowa (39), treten immer mehr in den Vordergrund. Wie Fabian Burkhardt, Russlandexperte des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung, gegenüber SRF erklärt, werden diese zwar nicht in höhere Positionen befördert, jedoch immer präsenter. So traten beide erst gerade am Wirtschaftsforum in St. Petersburg auf.
Erfahrene Verwandte werden bevorzugt
«Es gibt derzeit einen steten, aber langsamen Generationenwechsel. Das beobachten wir in Russland schon eine Weile», so Burkhardt. Putins engere Kreise werden, wie der mittlerweile 71-jährige Präsident, immer älter. Daher sei es nur normal, «dass die nächste Generation in hochrangige Positionen ‹reinrotiert› wird.»
Was dabei für Putins Verwandte spricht: Viele bringen laut Burkhardt eine «gewisse Erfahrung in der Verwaltung oder in grossen Staatsunternehmen» mit. So leitete beispielsweise Ziwiljowa zuletzt einen staatlichen Fonds zur Unterstützung der Soldaten, die in der Ukraine kämpfen.
Doch nicht nur Verwandte Putins bekleiden seit neustem höhere Positionen – auch Leistung und Loyalität fliessen in die Wahl ein. Für Burkhardt ist das beeindruckend: «Es ist nicht selbstverständlich, dass man sich in diesem Beziehungsgeflecht, wo sich Elitegruppen gegenseitig bekämpfen, über viele Jahre behaupten kann.»
So ist beispielsweise auch der neue Verteidigungsminister, Alexander Beloussow, nicht mit Putin verwandt. Doch der 65-Jährige verbrachte viel Zeit mit dem Präsidenten. Dadurch könne Putin auf seine Loyalität zählen, einen Aspekt, der dem russischen Präsidenten wichtig sei.
«Konflikte innerhalb der Elite könnten sich verschärfen»
Obwohl es kein bewusster Prozess Putins sein dürfte, «den Übergang zum Post-Putinismus vorzubereiten», erhielt er dieses Jahr einen markanten Schub. Burkhardt sieht die Neu-Organisation im russischen Machtapparat auch als riskant an – so funktioniere das Konstrukt momentan nur, weil Putin noch als Oberhaupt fungiert.
Burkhardt: «Sobald der Patron seine Position verliert, beginnt der Kampf um die Ressourcen und die Position. Wenn Putin diesen Prozess jetzt beginnen würde, würde das die Gefahr vergrössern, dass sich die Konflikte innerhalb der Elite verschärfen.»
Die grossen Verlierer dieses Systems sind hierbei alle, die keine familiäre oder freundschaftliche Beziehung zu Putin haben. Diese müssten sich dann «über andere Wege ihren Karriereweg bahnen» – was, so Burkhardt, zu Konflikten innerhalb des Apparats führen könnte.