Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (57) hat Bundeskanzler Olaf Scholz (64) um Entlassung gebeten, wie die Nachrichtenagentur dpa bekannt gab. Eine Erklärung soll am Mittwoch folgen. Einer Umfrage zufolge war die Mehrheit der Deutschen für einen Rücktritt Lambrechts. Das ging aus dem am Freitag veröffentlichten ZDF-«Politbarometer» hervor. Demnach sprachen sich 60 Prozent der Befragten für einen Rücktritt der Ministerin aus; 25 Prozent waren dagegen. Selbst innerhalb der SPD sprachen sich 50 Prozent für einen Rücktritt aus; 38 Prozent waren für ihren Verbleib im Amt.
«Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu», schreibt Lambrecht demnach. «Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen.» Sie danke allen, «die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft.»
Auch über ihre Nachfolge wurde bereits beraten. Als mögliche Nachfolgerin nennt die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» die Wehrbeauftragte Eva Högl (54), Co-Parteichef Lars Klingbeil (44) und Innenministerin Nancy Faeser (52). Wer die Nachfolge antreten wird, soll laut der Zeitung «aus Respekt» erst am Dienstag verkündet werden – auch wenn die Zeit im Angesicht der für Donnerstag angesetzten Ramstein-Konferenz drängt.
Lambrecht machte sich als Verteidigungsministerin nicht beliebt. Seit ihrem Amtsantritt im Dezember 2021 musste sie viel Kritik einstecken. Eine Übersicht über die Fettnäpfchen, in welche die «Pannen-Ministerin» getreten ist.
Puma-Panne bei der Bundeswehr
Jüngst sorgte ein Bericht des Verteidigungsministeriums in Deutschland für Wirbel. In diesem wurde zugegeben, dass es den 18 «Puma»-Panzer der Bundeswehr an Robustheit und Zuverlässigkeit fehle. Die bisherigen Erfahrungen mit den Geräten würden zeigen, «dass dieses hochkomplexe Waffensystem in seinem jetzigen Konstruktionsstand nur mit einem eng verzahnten technisch-logistischen Konzept aus Truppe, Heeresinstandsetzungslogistik, Projektleitung und Industrie» betrieben werden könne. Auf gut Deutsch: Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Bundeswehr-Panzer unglaublich aufwendig und kompliziert.
Bei einem Manöver Ende Dezember in Niedersachsen sind sogar 17 der 18 «Pumas» ausgefallen, wie deutsche Medien berichteten. Heisst: Das Panzermodell ist derzeit nicht einsatzfähig. Das Verteidigungsministerium versicherte allerdings, dass man bald ein Spitzengespräch mit allen Beteiligten einberufen und nach einer Lösung suchen werde.
Skandal-Rede an Silvester
Für ihre deplatzierte Silvester-Rede geriet Lambrecht zum Jahreswechsel ins Kreuzfeuer. Inmitten von pfeifenden Silvesterraketen, explodierenden Böllern und bunten Lichtspektakeln bilanzierte sie das vergangene, blutige Jahr folgendermassen: «Mitten in Europa tobt ein Krieg. Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte, viele, viele Begegnungen mit interessanten und mit tollen Menschen. Dafür sage ich ein herzliches Dankeschön.»
Die Kritik liess nicht lange auf sich warten: Die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler (42) forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (64) auf Twitter dazu auf, Lambrecht zu entlassen. «Die Rede über den Krieg mit Silvesterböllern im Hintergrund setzt ihrer Serie von Peinlichkeiten nur noch die Krone auf. Deshalb: Jede weitere Minute, in der der Bundeskanzler an dieser Ministerin noch festhält und damit das Ansehen unseres Landes weiter beschädigt, geht auf sein Konto.» Die Bundesregierung verzichtete auf eine Stellungnahme zu Lambrechts Video.
Militärischer Fauxpas nach militärischem Fauxpas
Auch im Ukraine-Krieg kann sich die Verteidigungsministerin nicht beweisen. Als im Januar 2022 200'000 russische Soldaten an die ukrainische Grenze verlegt wurden, ordnete Lambrecht die Lieferung von 5000 Helmen an die Ukraine an. «Bild» schrieb damals: «Eine Blamage!»
Und während im Zuge des Krieges Scholz und weitere Politiker die «Zeitenwende» ausriefen, sprach Lambrecht von «Abrüstungspolitik». Gegenüber «Spiegel» meinte ein Offizier: Unter Lambrecht seien das Verteidigungsministerium und die Bundeswehrführung «in eine tiefe Lethargie» gefallen. Er vergleicht die Situation mit einer Sepsis, also einer lebensgefährlichen Blutvergiftung – die ersten Organe drohten in der Bildsprache des Offiziers sogar, abzusterben.
Im Dezember wurde bekannt, dass der Bundeswehr Munition im Wert von 20 bis 30 Millionen Euro fehle, wie Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete. Des weiteren soll sie sich viel zu spät um die Anschaffung des Tarnkappenbombers F-35 gekümmert haben.
Entlarvte Helikopter-Lüge
Lambrecht ist bekannt dafür, ihren Sohn Alexander Lambrecht (21) gerne auf Dienstreisen mitzunehmen. So auch an Ostern 2022, als sie nach Ladelund (Nordfriesland) reiste, um dem Bataillon Elektronische Kampfführung 911 einen Besuch abzustatten. Dies berichtet das Wirtschaftsportal Business Insider. Stolz posierte er auf Instagram im Regierungs-Helikopter, der pro Flugstunde Kosten von rund umgerechnet 5600 Franken verursacht.
Direkt im Anschluss an die Dienstreise folgten ein paar Ferientage auf der Nordseeinsel Sylt, die nur einen Katzensprung von Nordfriesland entfernt ist. Es hagelte Kritik – sogar rechtliche Schritte wurden geprüft. Ein Bundeswehr-Jurist sagt zu «Bild», mit der Veröffentlichung des Fotos könnten die Ministerin oder ihr Sohn gegen das Strafgesetzbuch, genauer den Artikel «Sicherheitsgefährdendes Abbilden von Wehrmitteln» verstossen haben. Die Befürchtung: Spione könnten auf dem Foto technische Details des Helikopters sehen.
Monatelang dementierte sie zudem, dass sie das Bild ihres Sohnes selbst aufgenommen hatte – bis ein Gericht sie kürzlich dazu zwang, es zuzugeben, wie «Bild» schreibt.